Feuergipfel
jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für eine solche Berichtigung war.
Vielleicht morgen.
Oder übermorgen.
Hunter könnte bis dahin wieder Vernunft angenommen haben ...
Hoffentlich würden seine Augen dann nicht mehr wie stählerne Scheiben von Rachsucht aussehen.
»Ich habe keine anderen Culpeppers gesehen«, erwiderte Elyssa. »Es war allerdings noch ein Mann da.«
Hunter beobachtete sie mit durchdringender Intensität.
»Eigentlich sah er wie der gefährlichste von allen aus«, fügte sie hinzu.
»Kanntest du ihn?«
»Nein. Mir war er unbekannt.«
»Woher willst du dann wissen, daß er gefährlich ist?«
Elyssa stieß einen heimlichen Seufzer der Erleichterung aus. Hunters Stimme hatte glücklicherweise etwas von ihrer tödlichen Kälte verloren.
»Ich habe es an der Art erkannt, wie er dastand«, erwiderte sie schlicht.
»Was soll das heißen?«
»Die meisten Männer zappeln, verlagern ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen oder fummeln an ihrem Schnurrbart oder ihrem Patronengurt herum ...«
Hunter wartete angespannt. Seine absolute Reglosigkeit erinnerte Elyssa unwillkürlich an jenen Fremden.
»Dieser Mann dagegen hat sich nicht bewegt, außer um zu atmen«, sagte sie. »Er war nicht erregt oder blutdürstig oder sonst irgend etwas. Er war einfach nur ... bereit.«
»Wofür?«
»Für alles, ganz gleich, was passieren würde. Er machte den Eindruck, als würde er es damit aufnehmen, was immer es wäre, ohne mit der Wimper zu zucken. Als ob ihn nichts berühren könnte, höchstens der Tod, und als ob selbst der Tod nichts Furchteinflößendes für ihn hätte. Er wirkte genau wie du, als du an jenem ersten Abend auf die Ranch gekommen bist.«
Bugle Boy schnaubte und zerrte ungeduldig an den Zügeln.
Hunter ignorierte das Pferd. Die Erkenntnis, daß er einen von den Männern, die Elyssa umzingelt hatten, nicht bemerkt hatte, machte ihn zutiefst unsicher.
»Ich habe ihn nicht gesehen«, erklärte er.
»Er stand ein ganzes Stück von den Culpeppers entfernt.«
»Wie hat er ausgesehen?«
»Er war ...«
Elyssa brach ab. Sie blickte Hunter an.
»Er war dir in Größe und Körperbau ziemlich ähnlich«, sagte sie schließlich. »Oder vielleicht lag es auch nur daran, daß er Teile einer alten Uniform der Konföderierten Armee trug, daß er mich irgendwie an dich erinnerte.«
»Links- oder Rechtshänder?«
»Er hatte einen sechsschüssigen Revolver in der einen Hand und ein Repetiergewehr in der anderen.«
Hunter lächelte schmal. »Kein Wunder, daß er nicht nervös war.«
»Und er trug Mokassins«, fügte Elyssa hinzu.
»Mokassins?« fragte Hunter in scharfem Ton.
»Ja. Kniehohe Mokassins. Mit Fransen besetzt. Wie die Apachen sie anhaben.«
Elyssa legte den Kopf schief, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoß.
»Ich glaube nicht«, sagte sie, »daß ihn sonst irgend jemand gesehen hat. Er tauchte völlig lautlos am Rand eines Weidendickichts auf, als sich der Nebel lichtete.«
»Fransenbesetzte Mokassins«, wiederholte Hunter nachdenklich. »Ich will verdammt sein.«
Elyssa starrte ihn verwundert an. In Hunters Stimme schwang eine Mischung von Emotionen mit, die sie faszinierte. Hörte Sie Zuneigung heraus? Es konnte auch Respekt sein - oder Erwartung ...
Eindeutig war es Sympathie, die Hunters Stimme eine verblüffende Milde verlieh.
»Kennst du ihn?« fragte sie neugierig.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Eine Menge Männer tragen Mokassins.«
»Aber so viele doch sicherlich nicht solche?«
Hunter lächelte. «Ich selbst habe auch häufig Mokassins getragen, wenn ich auf der Pirsch war.«
»Wer ist er?«
»Wenn er der ist, von dem ich glaube, daß er’s ist, dann hast du recht mit deiner Einschätzung. Der Bursche war tatsächlich nicht im geringsten beunruhigt über das, was als nächstes passieren würde.«
16
In der folgenden Nacht, lange nachdem alle schlafen gegangen waren, knarrten Treppenstufen leise unter Hunters Gewicht. Verdammt, dachte er grimmig.
Er wartete mit angehaltenem Atem, horchte auf Geräusche, die ihm verrieten, ob Elyssa wach war und in ihrem Zimmer umherging.
Doch es drang kein Laut an seine Ohren bis auf das schnelle Pochen seines eigenen Herzens und das Heulen des Herbststurms, der in Böen um die Dachvorsprünge fegte.
Vorsichtig schlich Hunter weiter treppab. Auf leisen Sohlen schlüpfte er zur Küchentür hinaus und durchmaß den Ranchhof zum Stall.
Obwohl sich auf den Berggipfeln dicke Gewitterwolken türmten, war der Himmel
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