Feuergipfel
dich fest!« rief Elyssa dem Mädchen zu. »Egal, was passiert, halt dich fest!«
Falls die Indianerin sie verstand, so sagte sie jedenfalls nichts. Ihre Augen waren trübe vor Erschöpfung, ihr Gesicht von Schürfwunden und Blutergüssen gezeichnet.
Leopard donnerte trotz seiner doppelten Last unerschrocken in den Sumpf, ohne seinen rasenden Lauf zu dämmen. Ein schneller Blick über ihre Schulter sagte Elyssa, daß Gaylord Culpepper nur noch knapp fünfzig Meter hinter ihr lag. Er saß vollkommen entspannt im Sattel und ließ sich Zeit, während er an dem Lauf seines Gewehres entlangblickte und auf sie zielte.
Aus den Augenwinkeln sah Elyssa in ungefähr einer Meile Entfernung Ladder-S-Reiter aus dem Sumpfgebiet hervorpreschen. Bugle Boy war an der Spitze des Trupps und galoppierte in einem Tempo, als wollte er der Hölle entfliehen, während er den Abstand zwischen Hunter und den Banditen mit gigantischen Sprüngen verringerte.
Hunters Gewehr lag in seinen Händen. Er ritt wie ein Zentaur und feuerte unentwegt auf die Banditen.
Doch die Entfernung war zu groß, um vom Rücken eines galoppierenden Pferdes aus sein Ziel zu treffen. Elyssa wußte genau, daß dies alles war, was Hunter im Moment tun konnte.
Und bis dahin würde Gaylord die beiden Frauen mit der Mühelosigkeit eines Mannes, der Fische in einem Faß erlegt, mit Kugeln durchlöchert haben.
Ein Stück weiter voraus und rechts von Elyssa ertönte ein Schuß aus dem Sumpf. Den Bruchteil einer Sekunde später krachte ein Schuß hinter ihr, und eine Kugel sauste so dicht an Elyssa vorbei, daß sie unmittelbar links von Leopards fliegenden Hufen den Staub vom Boden aufwirbeln sah.
Plötzlich steckte Leopard mitten in der goldbraunen Umarmung des Sumpfes. Mit der Geschmeidigkeit einer Katze raste der Hengst einen schmalen, ausgetrockneten Schlammpfad hinunter. Elyssa brachte das Pferd mit schlitternden Hufen zum Stehen, genau in dem Moment, als die Kraft der Indianerin endgültig erlahmte. Das Mädchen stürzte, von ihrem Umhang bedeckt, zu Boden und blieb keuchend liegen.
Hinter Elyssa knatterte Gewehrfeuer; Schüsse explodierten in ohrenbetäubenden Salven. Leopard stand ruhig da und schnaufte vor Anstrengung. Elyssa zog ihren Fuß aus dem
Steigbügel und glitt von seinem Rücken, wobei sie mit einem Arm das Baby festhielt und mit dem anderen ihren Karabiner.
Die Flüchtige gab einen erstickten Laut von sich und streckte die Arme aus. Elyssa bückte sich und reichte das Kind seiner Mutter. Ein plötzliches Geräusch aus dem Inneren des Sumpfes ließ sie erschrocken herumwirbeln, den Karabiner schußbereit angelegt.
Das Indianermädchen wimmerte entsetzt auf und versuchte, sich vom Boden zu erheben, aber seine Kraft war aufgezehrt.
»Immer mit der Ruhe, Frechdachs«, drang eine Stimme aus dem Schilf. Ich bin’s, Case.«
Elyssa war zumute, als rolle ein tonnenschwerer Felsbrocken von ihren Schultern. Sie stieß einen rauhen Triumphschrei aus und hob den Lauf der Karabiners, so daß er zum Himmel zeigte.
Das Schilf teilte sich raschelnd, und Case tauchte auf, ein Gewehr in der Hand.
Das Indianermädchen schien ihn von irgendwoher zu kennen. Allmählich entspannte es sich und begann, leise und beruhigend auf das Baby einzusprechen, das während der gesamten Flucht keinen Muckser von sich gegeben hatte. Eine kleine Faust kam zwischen den Lumpen hervor, winzige Fingerchen tasteten nach dem Gesicht des Mädchens. Das Lächeln, das sie dem Säugling schenkte, war so strahlend wie der Himmel.
»Bist du verletzt?« fragte Case Elyssa.
Elyssas Mund war derart ausgedörrt, daß sie kein Wort hervorbrachte. Schweigend schüttelte sie den Kopf.
»Warte hier«, sagte Case. »Wenn ich zurückkomme, werde ich den Ruf einer Sumpflerche nachahmen. Falls du irgend etwas anderes hörst, bereite dich darauf vor zu schießen.«
Sie nickte.
Case musterte sie mit forschendem Blick.
»Halt durch, Frechdachs. Ich werde nicht lange wegbleiben.«
Wieder konnte Elyssa nur benommen nicken.
Sporadische Rufe schallten von jenseits des Sumpfes herüber.
Pferdehufe erzeugten einen dumpfen Trommelwirbel, der weiter und weiter in der Ferne verhallte, bis er in dem Rauschen des trockenen, windgepeitschten Schilfes unterging.
Es kam ihr wie eine volle Stunde vor, aber in Wirklichkeit dauerte es nur Minuten, bis endlich der Ruf einer Sumpflerche leise im Schilf ertönte.
»Alles in Ordnung«, rief Case. »Sie laufen mit eingekniffenem Schwanz davon wie die Kojoten, die
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