Feuergipfel
eine Gewehrmündung auf Elyssa hatte zielen sehen: Mit schrecklicher Endgültigkeit erkannte er, daß nichts auf der Welt eine Kugel daran hindern konnte, sie zu treffen.
»Danke«, krächzte er. »Ich bin dir etwas schuldig. Wieder mal.«
»Ich war nicht derjenige, der sie gerettet hat.« »Wer war es dann?«
»Du bekommst Bescheid, wenn ich es herausgefunden habe«, stellte Case in Aussicht.
Hunter hörte kaum zu. Er kniete neben Elyssa nieder und strich ihr eine Kaskade silbrig schimmernden Haares aus dem Gesicht.
»Alles in Ordnung mit dir, Frechdachs?« fragte er sanft.
Mit einem erstickten Laut vergrub Elyssa ihr Gesicht an Cases Brust, um Hunter nicht in die Augen sehen zu müssen.
»Sie ist nicht verletzt«, erklärte Case.
»Warum hältst du sie dann so behutsam wie ein Weihnachtskätzchen umfangen?« blaffte Hunter.
Natürlich wollte er derjenige sein, der Elyssa in seinen Armen hielt. Leider gab sie ihm deutlich zu verstehen, daß das Gefühl nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.
»Höchstwahrscheinlich hat sie einen Culpepper erschossen«, erläuterte Case.
Der Schock und die Bestürzung auf Hunters Gesicht hätten jedem anderen Mann außer Case ein Lächeln entlockt.
»Sie hat gewisse Schwierigkeiten damit, das zu verdauen«, fügte Case hinzu.
Elyssa stöhnte leise vor Beschämung und vergrub ihren Kopf noch fester in Cases grauem Flanellhemd, als versuchte sie, in ihn hineinzukriechen. Case hielt sie einfach in seinen Armen und streichelte sanft ihr Haar.
»Was ist passiert?« verlangte Hunter zu wissen.
Elyssa weigerte sich zu antworten und schüttelte nur den Kopf, die Augen fest zugekniffen.
»Bill und ich konnten die Indianerin befreien, während die anderen schliefen. Dann habe ich mich darangemacht, diesen verdammten Unbekannten zu verfolgen«, erklärte Case.
»Du meinst, den Verräter?«
Case nickte.
»Kurz vor Einbruch der Morgendämmerung kam er zu Bills
Ranch«, sagte Case. »Es gab einen Streit. Daraufhin ging er wieder. Seitdem bin ich die ganze Zeit hinter ihm her geschlichen -bis hierher!«
»Er ist irgendwo hier im Sumpf?«
»Ja.«
»Dann kann er nicht von der Ladder S gekommen sein«, erwiderte Hunter. »Ich weiß, wo alle unsere Männer zu dem Zeitpunkt waren.«
Case grunzte. »Als ich Schüsse hörte, bin ich zum Rand des Sumpfes gekrochen und hab’ mich umgesehen. Die Indianerin rannte auf den Sumpf zu, so schnell sie konnte. Vier Banditen waren hinter ihr her.«
Hunter sah zu dem Mädchen hinüber.
Sie blickte von ihrem Baby auf, als hätte sie sein Interesse gespürt. Die Blutergüsse auf ihrem jungen Gesicht - in Kombination mit dem Mißtrauen und der Furcht in ihren Augen - sagten Hunter alles. Er hatte Frauen mit diesem Ausdruck während des Krieges gesehen, nachdem sie von Fremden mißbraucht worden waren und verständlicherweise keinem Mann mehr trauten.
Hunter hielt seine linke Hand vor den Körper, mit der Handfläche nach oben. Dann berührte er die Mitte der Handfläche mit seinem rechten Zeigefinger.
Das Mädchen verstand. Beruhigt wandte sie sich ab und fuhr fort, ihr Baby zu versorgen, so gut sie konnte.
»Sprich weiter«, sagte Hunter leise zu Case.
»Frechdachs ritt den großen gescheckten Hengst. Sie rasten querfeldein über das Grasland in einem Galopp, als wäre ihnen der Teufel persönlich auf den Fersen.«
Hunter murmelte etwas vor sich hin.
»Als der erste Culpepper sie entdeckte«, fuhr Case fort, hat sie mitnichten ihr Tempo gedrosselt, geschweige denn die Flucht ergriffen. Sie hat einfach die Zügel fallen lassen, ihren Karabiner aus der Sattelscheide gerissen und angefangen, auf die Kerle zu schießen.«
Hunters Ausdruck wurde noch eine Spur grimmiger. Er starrte auf die seidige Woge blaßblonder Haare, die Elyssas Gesicht vor seinen Blicken verbarg.
»Verdammt, Frechdachs«, knurrte er. »Was hattest du überhaupt hier zu suchen? Du hättest erschossen werden können!«
Elyssa ignorierte ihn.
»Statt dessen hat sie einen Culpepper abgeknallt«, stellte Case in nüchternem Ton fest. »Gute Arbeit, wenn du mich fragst.«
»Ich habe dich aber nicht gefragt«, fauchte Hunter.
Große Hände streckten sich vor und zogen Elyssa aus Cases Armen. Hunter bettete Elyssas Gesicht behutsam an seine Brust und begann, ihr Haar unendlich zärtlich zu streicheln.
Elyssa sträubte sich einen Moment, bevor sie nachgab. Hunters Sanftheit war einfach zu betörend, um sich dagegen zu wehren. Sie hungerte förmlich danach, sehnte sich nach
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