Feuerherz
linste über die Theke … niemand zu sehen. Sicherlich war nur ein Verkäufer da und der holte gerade etwas für den Mann mit dem kleinen Mädchen.
»Lissy!«, hörte ich plötzlich das Mädchen rufen. Ich sah noch einmal genau hin. Oh Mensch …
»Pippa!«, sagte ich. »Hallo, kleine Maus.«
Der Mann drehte sich um. Brünette Haare, braune Augen. Eindeutig ein Hengst aus der biologischen Erzeugung des Balaur-Stalls. Etwa neunzehn Jahre alt. Vielleicht auch schon zwanzig.
»Hi!«, begrüßte er mich. Die gleichen treuen Augen wie sein kleiner Bruder.
»Hallo, schöner Mann«, trällerte ich.
»Du MUSST Elisabeth sein?« Das warme Braun seiner Iris funkelte aufgeregt. Ilian hatte ihm also von mir erzählt … oder Pippa.
»Und du MUSST Ilians großer Bruder sein.«
»Dean«, sagte er und hielt mir lachend eine Hand hin.
»Dean … wie James Dean?!«, fragte ich und ergriff sie zu einem kurzen Händeschütteln.
»Ja.« Er kratzte sich verlegen am Kopf. »Meine Mutter findet den irgendwie toll … und mein Vater hat sich nie bei der Namenswahl eingemischt.«
»Daher habt ihr also alle die außergewöhnlichen Namen.«
»Sie liest gerne, wie wir alle eigentlich.« Er zuckte mit den Schultern. »Nummer neun wird entweder ein Firnen, wie der Drache aus Eragon, oder eine Rania, wie die Königin von Jordanien.«
»Sie ist wieder schwanger?« Wie alt war der kleine Roran eigentlich?
»Ja, aber es ist noch viel zu früh, um ein Geschlecht zu erkennen.«
»Dean, was denkst du …« Das Mädchen, etwa mein Alter, das da auf uns zugelaufen kam, war eher unscheinbar. Braunes Haar, Brille, recht mager. Aber sie hatte etwas unglaublich freundliches in ihrer Art und ihrer Ausstrahlung. Ein Mauerblümchen, keine Frage, aber ein liebes Mauerblümchen. Sie hielt inne und sah mich an.
»Elisabeth, darf ich dir meine Verlobte Sophia vorstellen?«
Okay, die mussten beide älter sein, als ich gedacht hatte. Wir reichten uns die Hände.
»Verlobte?«, fragte ich. »Hui, wann ist es denn soweit?«
»Dieses Wochenende«, sagte Sophia mit aufgeregter Stimme. Der Metzger erschien hinter der Theke mit einer großen Tüte Fleisch.
»Wow, wollt ihr ein Wolfsrudel füttern oder ist das für die Hochzeit?«, fragte ich bei dem Anblick der Fleischmassen.
»Beides«, gluckste Dean und sah Sophia mit einem Blick voller Liebe an.
»Nicht Metzgerei Drake?«, fragte ich.
Der sanfte Ausdruck in Deans Gesicht verschwand. »Nein, lange Geschichte.«
Sophia wirkte einen Moment unglücklich, doch dann lachte sie wieder tapfer. »Wir feiern im ganz kleinen Kreis. Nur Familie und ein kleines Grillfest nach dem Standesamt.«
»Na dann hoffe ich, Ilian verbrennt die Burger nicht!«
Dean lachte. »Woher weißt du, dass er bei uns der Grillmeister ist?«
»Facebook«, erklärte ich. »Und eine gute Portion vorlautes Raten.«
»Kommst du auch?«, fragte Pippa plötzlich und brachte uns alle in eine peinliche Situation.
»Nein, Pippa, ich gehöre nicht zur Familie«, sagte ich und erlöste das Brautpaar von der Verpflichtung, etwas zu sagen. »Mein Plan für dieses Wochenende ist es, die Weltherrschaft an mich zu reißen.«
Dean und Sophia lachten.
»Nein, in Wirklichkeit muss ich meiner Stiefmutter im Atelier helfen. Als Dank dafür, dass sie meinen Vater für mich wegen eines Tattoos breitgequatscht hat.«
»Kommst du uns mal wieder besuchen?«, fragte Pippa.
Ich war ihr dankbar, dass sie nicht vorschlug, dass ich Ilian dann wieder, wie sie es ausgedrückt hatte, blasen könnte.
»Bestimmt, irgendwann mal«, vertröstete ich sie.
Oh Mann, nicht an Ilian zu denken lief ja richtig gut.
Das Wochenende verbrachte ich damit, Skulpturen meiner Stiefmutter von A nach B zu schleppen und sie »ins richtige Licht« zu setzen. Was auch immer das heißen mochte. Ich war so ausgepowert, dass ich die meiste Zeit über wirklich Ilian vergaß. Dann, in den wenigen Momenten der Ruhe, schnappte ich mir mein Handy und sah bei Facebook rein. Ich hatte die Hoffnung, er würde ein Bild des Brautpaares posten, tat er aber leider nicht. Dennoch schrieb ich ihm kurz per Nachricht, dass er in meinem Namen gratulieren soll. Es kam ein simples, kurzes »Danke« als Antwort.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch machte ich mich am Montagmorgen auf den Weg zum Spanisch-Klassenraum. Wieso musste mein Bauch nur jedes Mal so prickeln, wenn ich wusste, dass ich gleich Ilian sah?
Ich bog um die Ecke und entdeckte Ilian und Arva, die vor dem Gebäude standen.
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