Feuerkind
das, was diese Trottel ihren »im Grunde angelegten Feuerkonflikt« nannten, einen überspannten Ausdruck dafür, daß ihr Vater gesagt hatte, sie dürfe nicht, während die Leute von der Firma sie dazu ermutigten. Dieser Konflikt wurde noch durch ihr Schuldgefühl wegen des Zwischenfalls auf der Mandersfarm kompliziert.
Nichts von alledem konnte man Rainbird verkaufen. Es lag nicht an den Drogen, es lag nicht daran, daß sie eingesperrt war und ständig überwacht wurde. Es lag auch nicht daran, daß sie von ihrem Vater getrennt war.
Sie war ganz einfach schwer zu knacken. Damit hatte es sich. Sie hatte sich irgendwie dazu entschlossen, nicht mitzumachen, ganz gleich, was geschah. Ende. Schluß. Aus. Die Psychiater konnten ihr Tintenkleckse zeigen, bis der Mond sich blau färbte, die Ärzte konnten mit ihren Medikamenten herumspielen und in den Bart murmeln, wie schwer es doch sei, ein achtjähriges Mädchen erfolgreich mit Drogen zu behandeln, die Papiere konnten sich türmen, und Cap konnte vor Wut rasen.
Und Charlie McGee würde ganz einfach durchhalten.
Das spürte Rainbird so deutlich, wie er spürte, daß es heute nachmittag regnen würde. Und dafür bewunderte er sie. Sie ließ die ganze Bande wie Blinde herumtappen, und wenn man es ihnen überließ, würden sie auch noch wie Blinde herumtappen, wenn das Erntedankfest und Weihnachten schon lange vorbei waren. Aber sie würden nicht ewig wie Blinde herumtappen, und das machte Rainbird mehr Sorgen als alles andere.
Rammaden, der Geldschrankknacker, hatte eine amüsante Geschichte von zwei Dieben erzählt, die an einem Freitagabend in einen Supermarkt eingebrochen waren, weil sie wußten, daß der Wells -Fargo-Transporter, der die satten Wochenendeinnahmen zur Bank schaffen sollte, durch einen Schneesturm aufgehalten worden war. Es handelte sich um einen zylindrischen Tresor. Sie versuchten erfolglos, die Kombinationsscheibe herauszubohren. Sie versuchten, das Ding von hinten aufzuschälen, aber es gelang ihnen nicht, auch nur eine Ecke aufzubiegen, um einen Ansatz zu haben. Endlich hatten sie ihn gesprengt. Es war ein totaler Erfolg. Sie hatten den Zylinder weit aufgesprengt, so weit, daß alles Geld vernichtet war. Was übrigblieb, waren nur noch Fetzen.
»Worum es geht«, hatte Rimmaden in seinem trockenen Tonfall und mit seiner ein wenig keuchenden Stimme gesagt, »ist, daß diese Diebe den Tresor nicht geschafft haben. Es geht aber darum, den Tresor zu schaffen. Man hat einen Tresor nicht geschafft, wenn man den Inhalt nicht in gutem Zustand mitnehmen kann. Verstehen Sie, was ich meine? Sie haben zuviel Sprengstoff eingesetzt und das Geld ruiniert. Sie waren Arschlöcher, und der Tresor hat sie geschafft.«
Rainbird hatte kapiert. Mindestens sechzig Leute mit Universitätsausbildung waren mit diesem Fall befaßt, aber dennoch war es nichts anderes als Geldschrankknacken. Sie hatten versucht, die Kombination des Mädchens mit ihren Drogen herauszubohren; die Idioten waren zahlreich genug, eine ganze Softballmannschaft zu stellen, und all diese Attrappen bemühten sich, den »im Grunde angelegten Feuerkonflikt« zu lösen, und diese ganze Scheiße bedeutete doch nichts anderes, als daß sie versuchten, das Mädchen von hinten aufzuschälen.
Rainbird betrat die kleine Hütte, nahm seine Zeitkarte aus dem Fach und stempelte. T. B. Norton, der Schichtführer, sah von dem Taschenbuch auf, das er gerade las.
»Für zu frühes Stempeln gibt’s keine Überstunden, Rothaut.«
»Ja?« sagte Rainbird.
»Ja.« Norton starrte ihn herausfordernd an und legte die wütende, fast feierliche Selbstsicherheit an den Tag, die ein Mann mit geringer Machtbefugnis gern zeigt.
Rainbird schlug die Augen nieder und trat ans Schwarze Brett. Das Bowling Team der Wärter hatte gestern abend gewonnen. Jemand wollte »zwei gute, gebrauchte Waschmaschinen verkaufen«. Eine offizielle Mitteilung besagte, daß alle Arbeiter W1 bis W6 sich vor Verlassen des Büros die Hände waschen müssen.
»Sieht nach Regen aus«, sagte er über die Schulter zu Norton.
»Das glaubst du doch selbst nicht, Rothaut«, sagte Norton. »Warum haust du nicht ab. Du stinkst mir die Bude voll.«
»Gleich, Boß«, sagte Rainbird. »Ich hab’ doch nur gestempelt.«
»In Zukunft stempelst du erst, wenn du anfängst.«
»Ja, Boß«, sagte Rainbird beim Hinausgehen und sah gerade noch Nortons rosigen Hals von der Seite, sah die weiche Stelle dicht unterhalb des Kieferknochens. Würdest du noch Zeit
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