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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sagte er. »Warum sollte ein so gescheites kleines Mädchen wie du so weit zurückfallen? Scheiße – entschuldige bitte, Charlie –, aber ich wäre heilfroh, wenn ich länger als acht Jahre zur Schule gegangen wäre. Dann würde ich heute keine Fußböden aufwischen -darauf kannst du dich verlassen. Außerdem vergeht die Zeit dann schneller.«
    Sie hatte zugestimmt – John zuliebe. Die Lehrer kamen: der junge Mann, der ihr Englischunterricht gab, die ältere Frau für Mathematikunterricht, die jüngere Frau mit der starken Brille die ihr Französisch beibrachte, und der Mann im Rollstuhl, der die naturwissenschaftlichen Fächer lehrte. Sie paßte auf und lernte auch eifrig, aber eigentlich hatte sie es für John getan.
    Dreimal hatte John schon seinen Job riskiert, um ihrem VaterZettel zuzustecken, und aus ihrem Schuldgefühl heraus war sie um so eher bereit, ihm gefällig zu sein. Er hatte auch über ihren Vater berichtet – daß es ihm gutginge, daß er sich gefreut hätte, von Charlie zu hören, und daß er sich für Tests zur Verfügung stellte. Das hatte sie ein wenig betrübt, aber sie war jetzt alt genug zu begreifen – wenigstens annähernd –, daß was für sie gut war, nicht unbedingt für ihren Vater gut sein mußte. Und seit einiger Zeit hatte sie sich immer häufiger gefragt, ob John nicht am besten wußte, was gut für sie war. Auf seine ernste und gleichzeitig lustige Art (er fluchte immer und entschuldigte sich dann dafür, worüber sie lachen mußte) klang das, was er sagte, immer sehr überzeugend.
    Nach dem Stromausfall hatte er zehn Tage lang nicht mehr über das Feueranzünden gesprochen. Wenn sie über diese Dinge sprachen, taten sie das immer in der Küche, wo es, wie er sagte, keine »Wanzen« gab, und sie sprachen immer sehr leise.
    An dem Tag hatte er gesagt: »Hast du schon mal wieder über das Feueranzünden nachgedacht, Charlie?« Er sagte nicht mehr »Kleine« zu ihr, sondern nannte sie jetzt Charlie. Sie hatte ihn darum gebeten.
    Sie fing an zu zittern. Seit den Vorfällen auf der Mandersfarm hatte der bloße Gedanke an das Feueranzünden diese Wirkung auf sie. Sie wurde dann immer ganz kalt und starr und zittrig. In Hockstetters Berichten hieß das »eine leichte phobische Reaktion«.
    »Ich sagte Ihnen doch«, antwortete sie. »Ich kann es nicht tun, und ich will es auch nicht.«
    »Nicht können und nicht wollen ist nicht dasselbe«, sagte John. Er wischte den Fußboden auf, aber ganz langsam, um mit ihr sprechen zu können. Er bewegte beim Sprechen kaum die Lippen, wie ein Strafgefangener, der nicht will, daß seine Bewacher ihn verstehen.
    Charlie antwortete nicht.
    »Ich habe mir darüber ein paar Gedanken gemacht«, sagte er. »Aber wenn du sie nicht hören willst – wenn du wirklich fest entschlossen bist –, dann halte ich eben einfach das Maul.« Nein, das ist schon in Ordnung«, sagte Charlie höflich, aber Wirklichkeit wäre sie froh gewesen, wenn er tatsächlich denMund gehalten hätte, nicht darüber geredet, ja, nicht einmal daran gedacht hätte, denn ihr wurde dabei ganz schlecht. Andererseits hatte John ihr so sehr geholfen … und sie wollte ihn wirklich nicht verärgern oder kränken. Sie brauchte einen Freund.
    »Ich habe mir gerade überlegt, daß sie wissen, wie es auf der Farm außer Kontrolle geriet«, sagte er. »Sie werden wahrscheinlich sehr vorsichtig sein. Ich glaube nicht, daß sie dich in einen Raum voller Papierfetzen und Öllappen sperren werden, oder du vielleicht?«
    »Nein, aber –«
    Er hob die Hand. »Laß mich doch ausreden.«
    »Okay.«
    »Und sie wissen bestimmt auch, daß du damals zum ersten Mal – wie soll man es nennen? – ein Großfeuer verursacht hast. Kleine Feuer, Charlie. Darum geht es. Kleine Feuer. Und wenn doch etwas passieren sollte – was ich bezweifle, denn ich glaube, daß du dich besser unter Kontrolle hast, als du denkst –, wenn doch etwas passiert, wen wollen sie dann verantwortlich machen? Dich etwa? Nachdem die Arschlöcher dir ein halbes Jahr lang den Arm umgedreht haben, damit du es endlich tust? Verdammt, das glaubst du doch selbst nicht.«
    Was er sagte, machte ihr Angst. Trotzdem legte sie die Hände an den Mund und lachte über seinen todtraurigen Gesichtsausdruck. Auch John mußte lächeln. Dann zuckte er die Achseln. »Und dann habe ich mir noch überlegt, daß du nie lernen wirst, es zu kontrollieren, wenn du nicht ständig übst
    »Es ist mir gleich, ob ich es je kontrollieren kann, weil ich es

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