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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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erinnern, daß sie auch ihren Vater fast umgebracht hätte.
    »Was diesen Hockstetter anbetrifft, solche Leute kenne ich schon aus dem Krieg. Allesamt Wunderknaben. Wenn er es so nicht schafft, wendet er eben härtere Methoden an.«
    »Davor habe ich ja am meisten Angst«, gab sie leise zu.
    »Der Kerl ist zu allem fähig.«
    Charlie erschrak. Dann sagte sie: »Trotzdem, ich zünde keine Feuer mehr an. Das habe ich mir geschworen. Es ist etwas Böses, und deshalb tue ich es nicht.«
    Das reichte. Es war Zeit aufzuhören. Er hatte zwar das Gefühl, daß er weitermachen, einfach seiner Intuition folgen könnte. Aber dieses Gefühl mochte trügen. Außerdem war er müde. Das Mädchen zu bearbeiten, war mindestens so anstrengend gewesen wie Rammadens Tresore zu knacken. Wenn er jetzt nicht aufhörte, könnte ihm ein Fehler unterlaufen, der nicht gutzumachen wäre.
    »Ja, ja, ich denke, du hast recht.«
    »Werden Sie wirklich zu Daddy gehen?«
    »Ich will’s versuchen, Kleine.«
    »Es tut mir so leid, daß Sie hier bei mir eingesperrt waren, John. Aber ich bin auch sehr froh.«
    »Ja, ja.«
    Sie sprachen noch über belanglose Dinge, und sie legte den Kopf gegen seinen Arm. Er merkte, daß sie wieder einschlafen wollte – es war schon sehr spät –, und als das Licht vierzig Minuten später wieder anging, schlief sie ganz fest. Das Licht fiel ihr ins Gesicht, und sie bewegte sich und wandte den Kopf-so daß er im Schatten lag. Nachdenklich schaute er auf sie hinab, sah ihren schlanken Hals, ihren kleinen Kopf. Solche Kräfte in dieser zerbrechlichen kleinen Hülle. Konnte das über haupt stimmen? Sein Verstand wollte es nicht wahrhaben, aber sein Gefühl sagte das Gegenteil. Es war ein merkwürdiges und irgendwie schönes Gefühl, mit sich selbst so uneins zu sein. Sein Gefühl sagte ihm, daß sie wirklich diese Kräfte besaß, und zwar in einem Ausmaß, das die anderen nie glauben würden, vielleicht sogar in einem solchen Ausmaß, wie es der verrückte Wanless angedeutet hatte.
    Er nahm sie hoch, trug sie zu ihrem Bett und deckte sie zu. Sie wurde halb wach.
    Impulsiv beugte er sich vor und küßte sie. »Gute Nacht, Kleine.«
    »Gute Nacht, Daddy«, sagte sie schläfrig, rollte sich auf die Seite und lag still.
    Er betrachtete sie noch ein paar Minuten und ging dann in das Wohnzimmer zurück. Zehn Minuten später stürzte Hockstetter herein.
    »Stromausfall«, sagte er. »Vom Sturm. Diese verdammten elektronischen Schlösser sind alle verriegelt. Ist sie –«
    »Es ist alles in Ordnung, wenn Sie nicht so verdammt laut sprechen«, sagte Rainbird. Seine großen Hände packten Hockstetter an den Aufschlägen seines weißen Laborkittels, und er riß ihn zu sich heran, so daß Hockstetters plötzlich angsterfülltes Gesicht nur ein paar Zentimeter von seinem eigenen entfernt war. »Und wenn Sie hier noch einmal so tun, als ob Sie mich kennen, als sei ich etwas anderes als ein Wärter der Kategorie D, bringe ich Sie um, schneide Sie in kleine Stücke und verarbeite Sie zu Katzenfutter.«
    Hockstetter stotterte hilflos. Der Speichel floß ihm aus den Mundwinkeln.
    »Haben Sie verstanden? Ich werde Sie umbringen.« Der Indianer schüttelte Hockstetter.
    »I-i-ich habe ver-ver-standen.«
    »Dann raus hier«, sagte Rainbird und stieß Hockstetter auf den Korridor hinaus.
    Der Indianer schaute sich noch einmal um, schob seinen Karren hinaus und ließ die Tür mit ihrer automatischen Verriegelung hinter sich ins Schloß fallen. In ihrem Bett schliefCharlie so friedlich wie seit Monaten, vielleicht seit Jahren nicht mehr.

Kleine Feuer, Großer Bruder
1
    Der heftige Sturm verging. Auch die Zeit verging – drei Wochen. Noch herrschte ein feuchter, drückender Sommer über dem östlichen Virginia, aber die Schule hatte wieder angefangen, und die gelben Schulbusse rollten über die gepflegten Landstraßen im Gebiet von Longmont. Im nahen Washington, D.C. fing das neue Gesetzgebungsjahr mit seinen Gerüchten und Andeutungen an, mit dem üblichen, durch das Fernsehen noch verstärkten Zirkusrummel, mit gezielten Indiskretionen und einem alles beherrschenden Whiskeydunst.
    In den nüchternen, klimatisierten Räumen und den unterirdischen Anlagen des Komplexes machte das alles wenig Eindruck, wenn man davon absah, daß auch Charlie jetzt in die Schule ging. Es war Hockstetters Idee gewesen, sie unterrichten zu lassen, und Charlie hatte sich geweigert, aber Rainbird hatte sie überredet.
    »Das könnte dir wirklich nicht schaden«,

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