Feuerkind
plötzlich wie auf dem Bratrost vorkam. Das gab der Dingen ein wenig Würze … eine Würze, die ihm schon langt gefehlt hatte.
»Charlie, ich habe ja nicht gesagt, daß du diese Dinge umsonst tun sollst.«
Sie sah ihn erstaunt an.
John seufzte. »Ich weiß nicht recht, wie ich es dir sagen soll«’ sagte er. »Ich glaube, ich hab’ dich sehr gern. Du bist wie die Tochter, die ich nie hatte. Und wie man dich hier einsperrt. Du darfst deinen Daddy nicht besuchen, du darfst hier nie raus, du hast nichts, was alle anderen kleinen Mädchen haben … das macht mich krank.«
Jetzt blitzte er sie mit seinem gesunden Auge an und machte ihr ein wenig Angst.
»Du könntest alles mögliche für dich erreichen, indem du ihnen gefällig bist … daran müßtest du natürlich ein paar Bedingungen knüpfen.«
»Bedingungen?« fragte Charlie, die nicht wußte, was er meinte.
»Ja! Ich wette, du könntest sie dazu veranlassen, dir Ausgang zu geben. Du könntest in die Sonne, vielleicht ließen sie dich sogar nach Longmont zum Einkaufen. Du kämst aus diesem verdammten Zwinger raus und könntest in einem richtigen Haus wohnen. Mit anderen Kindern Zusammensein. Und –«
»Meinen Vater besuchen?«
»Auch das.« Aber genau das würde nie geschehen, denn wenn die beiden ihre Informationen austauschten, würden sie ganz schnell merken, daß John, der freundliche Wärter, einfach zu gut war, um wahr zu sein. Rainbird hatte Andy McGee keine einzige Botschaft seiner Tochter ausgehändigt. Hockstetter hatte das für ein unnötiges Risiko gehalten, und Rainbird, der Hockstetter im übrigen für ein gigantisches Arschloch hielt, war seiner Meinung.
Es war eine Sache, einer Achtjährigen das Märchen zu erzählen, daß es in der Küche keine Wanzen gab und man nur leise sprechen müsse, eine andere, diese Geschichte dem Vater des Mädchens aufzutischen, wenn sie ihn auch unter Rauschgift gesetzt hatten. Vielleicht erkannte McGee trotz seiner Drogenabhängigkeit die Tatsache, daß sie mit Charlie den guten Mann und den bösen Mann spielten, eine Technik, die von der Polizei seit Jahrhunderten angewandt wird, um verstockte Kriminelle zu knacken.
So erhielt er auch weiterhin die Fiktion aufrecht, daß er ihrem Vater Botschaften aushändigte, wie er auch so manche andere Fiktion aufrechterhielt. Es stimmte, daß er Andy oft sah, aber er sah ihn nur über die TV-Monitore. Es stimmte, daß Andy sich für Tests zur Verfügung stellte, aber Tatsache war auch, daß er umgekippt war. Er konnte nicht einmal mehr ein Kind dazu veranlassen, ein Bonbon zu essen. Er hatte sich in eine dicke, fette Null verwandelt, die nur noch in die Röhre glotzte und auf die nächste Pille wartete. Er bat auch nicht mehr darum, seine Tochter besuchen zu dürfen. Wenn sie ihren Vater zu Gesicht bekam und sah, was man aus ihm gemacht hatte, würde sie erneut Widerstand leisten, und er war nahe daran, sie zu überzeugen; sie wollte jetzt überzeugt werden. Nein, man konnte über alles verhandeln, nur über dies eine nicht: daß Charlie McGee ihren Vater wiedersah. Rainbird rechnete damit, daß Cap ihn schon bald mit einem Flugzeug der Firma nach Maui schaffen lassen würde. Aber das mußte das Mädchen nicht unbedingt erfahren.
»Glauben Sie wirklich, daß man mir erlaubt, ihn zu besuchen?«
»Keine Frage«, sagte er leichthin. »Natürlich nicht gleich, denn sie wissen, daß er ihre einzige Trumpfkarte dir gegenüber ist. Aber wenn du bis zu einem gewissen Punkt mitmachst und ihnen dann sagst, daß du aufhörst, wenn du deinen Vater nicht besuchen darfst –« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Der Köder war ausgeworfen, ein schöner, fetter Köder trieb im Wasser. Er war voller Haken und ohnehin ungenießbar, aber das konnte diese hartnäckige kleine Göre nicht wissen.
Sie sah ihn nachdenklich an. Mehr wurde darüber nicht gesprochen. An diesem Tag nicht.
Jetzt, etwa eine Woche später, dachte Rainbird um. Er tat es nicht aus einem besonderen Grund, sondern nur, weil seine eigene Eingebung ihm sagte, daß es keinen Zweck mehr hatte angeblich ihr Bestes zu wollen. So kam er nicht weiter. Jetzt mußte er betteln. Wie das Kaninchen, das Bruder Fuchs gebeten hatte, es nicht in die Dornenhecke zu schmeißen.
»Weißt du noch, worüber wir gesprochen haben?« eröffnete er die Konversation. Er bohnerte gerade den Küchenfußboden Sie tat so, als prüfe sie, was sie sich gerade zum Essen aus den Kühlschrank geholt hatte. Mit ihrem sauberen rechten Fuß rieb sie
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