Feuerkind
bestehen, können Sie es gewiß … ihr blinden, besessenen Narren.« Er schloß die Augen und bedeckte sie mit der Hand. Cap beobachtete ihn mit Gelassenheit.
Wanless sagte: »Eins wissen Sie bereits. Sie kann willkürlich Feuer entfachen.«
»Ja«
»Sie nehmen an, daß sie die telekinetischen Fähigkeiten ihrer Mutter geerbt hat. Sie sind sogar fest überzeugt davon.«
»So ist es.«
»Als sie noch sehr klein war, konnte sie diese … diese Talente, mir fällt kein anderes Wort ein, in keiner Weise kontrollieren …«
»Ein sehr kleines Kind kann auch seinen Darm nicht kontrollieren«, sagte Cap und zitierte damit ein Beispiel aus dem Bericht. »Aber wenn das Kind älter wird –«
»Ja, ja, diese Analogie ist mir vertraut. Aber auch einem älteren Kind kann ein Mißgeschick widerfahren.«
Cap antwortete lächelnd: »Wir werden die Kleine in einem feuersicheren Raum aufbewahren.«
»In einer Zelle.«
Immer noch lächelnd sagte Cap: »Wenn Ihnen das lieber ist.«
»Ich biete Ihnen folgenden Schluß an«, sagte Wanless. »Sie wendet die Fähigkeiten, die sie hat, nur ungern an. Man hat ihr davor Angst gemacht, und diese Angst wurde ihr absichtlich eingeflößt. Ich will Ihnen ein Parallelbeispiel nennen. Das Kind meines Bruders. Es gab Streichhölzer im Haus. Freddy wollte damit spielen. Sie anzünden und wieder ausmachen. ›Hübsch hübsch‹, sagte er dann. Und so begann mein Bruder, in dem
Jungen einen Komplex zu züchten. Ihn so sehr zu erschrecken, daß er nie mehr mit den Streichhölzern spielen würde. Er erzählte Freddy, die Streichholzköpfe seien aus Schwefel und daß seine Zahne davon verfaulen und herausfallen würden. Daß er, wenn er die Streichhölzer nur ansah, am Ende blind werden würde. Und schließlich hielt er Freddy s Hand einen Augenblick über ein brennendes Streichholz und versengte ihm den Finger.«
»Ihr Bruder«, murmelte Cap, »scheint ein wahrer Wohltäter unter den Menschen zu sein.«
»Besser eine Brandblase an der Hand eines Knaben als ein naßverpacktes Kind auf der Intensivstation mit Verbrennungen dritten Grades an über sechzig Prozent seiner Körperoberfläche«, sagte Wanless wütend.
»Noch besser wäre es, die Streichhölzer vor Kindern zu verschließen.«
»Können Sie Charlene McGees Streichhölzer vor ihr verschließen?« fragte Wanless.
Cap nickte bedächtig. »Sie haben in gewisser Weise recht, aber –«
»Fragen Sie sich doch selbst, Captain Hollister: Wie muß es wohl für Andrew und Victoria McGee gewesen sein, als dieses Kind noch klein war? Als sie sich mit diesem Kind auseinandersetzen mußten? Es bekommt die Flasche zu spät. Schon geht ein Stofftier direkt in ihrem Bett in Rauch und Flammen auf. Sie hat sich den Latz bekleckert. Das Baby schreit. Und gleich darauf fängt spontan die Schmutzwäsche im Deckelkorb zu brennen an. Das steht doch alles in Ihren Akten, Captain Hollister; Sie wissen doch, wie es in diesem Haus zuging. Ein Feuerlöscher und ein Rauchanzeiger in jedem Raum. Und einmal war es das Haar der Kleinen, Captain Hollister. Die Eltern gingen in das Zimmer ihrer Tochter, und sie stand schreiend im Bett, und ihr Haar brannte.«
»Ja«, sagte Cap, »das muß die Leute verdammt nervös gemacht haben.«
»Also«, sagte Wanless, »wurde sie nicht nur zur Sauberkeit erzogen, sondern auch dazu, kein Feuer zu machen.«
»Dazu erzogen, kein Feuer zu machen«, sagte Cap nachdenklich.
»Was lediglich bedeutet, daß ihre Eltern, wie mein Bruder bei seinem Sohn Freddy, bei ihr einen Komplex erzeugt haben. Sie haben da eine Analogie zittert, Captain Hollister. Lassen Sie uns diese doch einmal prüfen. Was ist denn diese Erziehung zur Sauberkeit? Sie besteht ganz einfach darin, daß man einen Komplex erzeugt.« Und plötzlich veränderte sich die Stimme des alten Mannes auf erstaunliche Weise. Sie wurde zu einem schrillen, zitternden Diskant. Es hörte sich an, als schimpfte eine Frau mit ihrem Baby. Cap ließ das Theater mit angewidertem Erstaunen über sich ergehen.
»Du böses Kind«, zeterte Wanless. »Sieh nur, was du gemacht hast. Pfui, du böses Kind. Es ist abscheulich, in die Hose zu machen, du Ferkel. Machen Erwachsene in die Hose? Geh auf den Topf, Baby, auf den Topf.«
»Bitte«, sagte Cap gequält.
»Es geht darum, einen Komplex zu erzeugen«, sagte Wanless. »Die Erziehung zur Sauberkeit wird dadurch erreicht, daß die Aufmerksamkeit des Kindes auf die eigenen Ausscheidungsvorgänge gelenkt wird, und zwar auf eine Weise,
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