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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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die wir für ungesund hielten, wäre der Gegenstand dieser Aufmerksamkeit ein anderer. Sie könnten jetzt fragen, wie stark dieser eingeimpfte Komplex das Verhalten des Kindes bestimmt Richard Dämon von der Universität Washington hatte sich diese Frage gestellt und veranstaltete ein Experiment, um das herauszufinden. Durch Zeitungsanzeigen fand er fünfzig Studenten, die sich freiwillig zur Verfügung stellten. Er ließ sie reichlich Wasser, Soda und Milch trinken, bis sie alle dringend urinieren mußten. Nach Ablauf einer vorher festgesetzten Zeit sagte er ihnen, daß sie sich jetzt erleichtern dürften … vorausgesetzt, sie machten sich in die Hose.«
    »Wie ekelhaft!« sagte Cap laut. Er war schockiert und angewidert. Das war kein Experiment, sondern ein Beispiel von Entartung.
    »Sie sehen, wie stark dieser Komplex in Ihrer eigenen Psyche verwurzelt ist«, sagte Wanless ruhig. »Als Sie zwanzig Monate alt waren, hielten Sie es nicht für so ekelhaft. Wenn Sie damals mußten, taten Sie es auf der Stelle, und wenn Sie beim Papst auf dem Schoß gesessen hätten. Was bei Dämons Experiment herauskam, ist dies: die meisten konnten nicht. Ihnen war klar daß normale Verhaltensregeln für die Dauer des Experiments außer Kraft gesetzt waren; sie befanden sich in Räumlichkeiten, die ebenso privat waren wie jedes gewöhnliche Badezimmer . aber achtzig Prozent konnten einfach nicht. Ganz gleich, wie stark das physische Bedürfnis war: der von ihren Eltern erzeugte Komplex war stärker.«
    »Sinnloses Geschwafel«, sagte Cap kurz.
    »Durchaus nicht. Ich möchte, daß Sie die Parallelen zwischen der Erziehung zur Sauberkeit und der zum Verzicht auf Feuermachen bedenken … und den einen wichtigen Unterschied -den Unterschied der Folgen. Wenn die Erziehung zur Sauberkeit bei einem Kind schwierig ist, was sind dann die Folgen? Geringfügige Unannehmlichkeiten. Sein Zimmer riecht, wenn es nicht ständig gelüftet wird. Die Mutter steht dauernd an der Waschmaschine. Vielleicht muß nach einiger Zeit der Teppich gereinigt werden. Schlimmstenfalls ist das Kind öfter wund, aber das passiert nur, wenn es eine besonders empfindliche Haut hat oder die Mutter zu schlampig ist, es sauberzuhalten. Was aber sind die Folgen bei einem Kind, das Feuer machen kann?«
    Seine Augen funkelten. Seine linke Mundhälfte grinste. »Meine Einschätzung der McGees als Eltern ist sehr hoch«, sagte Wanless. »Irgendwie haben sie es bei ihr geschafft. Ich kann mir vorstellen, daß sie damit lange vor dem Zeitpunkt angefangen haben, zu dem Eltern normalerweise mit der Erziehung zur Sauberkeit beginnen, vielleicht sogar noch bevor sie krabbeln konnte. ›Das darf Baby nicht! Baby tut sich weh! Böses Mädchen! Nein, nein nein! Böses Mädchen! Bö-öses Mädchen! ‹
    Aber Ihr eigener Computer, Captain Hollister, informiert uns, daß sie im Begriff ist, ihren Komplex zu überwinden. Sie ist dazu in einer beneidenswerten Ausgangsposition. Sie ist jung, und der Komplex konnte sich noch nicht über Jahre hinweg zementieren. Und ihr Vater ist bei ihr! Können Sie die Bedeutung dieser einfachen Tatsache ermessen? Natürlich können Sie es nicht. Der Vater ist die Autoritätsfigur. Beim weiblichen Kind beeinflußt er jede Fixationsphase. Oral, anal genital; hinter jeder steht wie ein Schatten hinter einem Vorhang die väterliche Autoritätsfigur. Für das weibliche Kind ist er Moses; die Gesetze sind seine Gesetze, wie auch immer überliefert, und er sorgt dafür, daß sie befolgt werden. Er ist vielleicht die einzige Person auf der Welt, die diese Blockade aufheben kann. Unsere Komplexe, Captain Hollister, verursachen uns die meisten Qualen und psychischen Nöte, wenn diejenigen, die sie in uns erzeugt haben, sterben und damit jenseits aller Argumente … und allen Mitleids sind.«
    Cap schaute auf die Uhr und stellte fest, daß Wanless erst vierzig Minuten bei ihm war. Ihm kam es vor wie Stunden. »Sind Sie bald fertig? Ich habe noch eine weitere Verabredung –«
    »Wenn Komplexe verschwinden, ist es, als ob bei Sturmflut die Deiche brechen«, sagte Wanless leise. »Wir kennen ein sexuell sehr freizügiges Mädchen, das neunzehn Jahre alt ist und schon dreihundert Männer gehabt hat. Ihr Körper ist voll sexueller Verseuchung wie der einer vierzigjährigen Prostituierten. Mit siebzehn war sie noch Jungfrau. Ihr Vater war Geistlicher, der ihr, als sie noch klein war, immer wieder erzählte, daß Sex in der Ehe ein notwendiges Übel sei, Sex außerhalb

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