Feuerkind
schlechtem Zustand, und das beruhigte Andy. Wenn sie regelmäßig jeden Sommer herkamen, blieben sie drei oder vier Wochen, und Andy fand immer ein paar Tage Zeit, sich um den Weg zu kümmern – aus Sam Moores Kiesgrube eine Ladung Kies zu holen, um die schlimmsten Löcher zuzuschütten, das Gebüsch zurückzuschneiden und Sam zu bitten, selbst herzukommen, um den Weg mit seiner alten Planierraupe ein wenig einzuebnen.
Die andere, breitere Abzweigung führte zu fast zwei Dutzend Wochenendhäusern und Hütten am Seeufer, und diese
Leute hatten ihre eigene Wegeverwaltung, zahlten jährliche Gebühren und hielten im August eine Versammlung ab (obwohl diese Versammlung eigentlich nur ein Vorwand war, sich gründlich zu besaufen, bevor der Tag der Arbeit im September einem weiteren Sommer ein Ende setzte). Großvaters Anwesen wir hier unten jedoch das einzige, weil Großvater während der Depressionszeit das ganze umliegende Land für einen Spottpreis selbst gekauft hatte.
Früher hatten sie hier ein Fahrzeug gehabt, einen alten FordKombi. Es war aber zweifelhaft, ob der alte Schlitten es hier noch geschafft hätte, denn selbst der Willys mit seinen hochgelegenen Achsen war ein paarmal mit der Wanne aufgeschlagen. Andy war das nur recht. Es bedeutete nämlich, daß in der Zwischenzeit niemand hiergewesen war.
»Gibt es dort Elektrizität, Daddy?« fragte Charlie.
»Nein«, sagte er, »und auch kein Telefon. Wir dürfen den Strom nicht einschalten, Kleines. Dann könnten wir ebensogut ein Plakat anbringen: HIER SIND WIR. Aber da sind Kerosinlampen und zwei Fässer Öl. Wenn das Zeug nicht inzwischen geklaut wurde.« Seit sie das letzte Mal hier waren, hatte es derartige Ölpreiserhöhungen gegeben, daß ein solcher Diebstahl sich vermutlich gelohnt hätte.
»Gibt es da auch –« Charlie wollte etwas fragen.
»Verdammte Scheiße«, sagte Andy.
Er ging voll in die Bremse. Ein Baum war quer über den Weg gestürzt, eine große alte Birke, die wohl ein Wintersturm abgeknickt hatte. »Ab hier müssen wir zu Fuß gehen. Es ist nur noch eine Meile. Das schaffen wir.« Später würde er mit Großvaters Gerät zurückkommen und den Baum zersägen. Er wollte Irvs Willys hier nicht stehenlassen. Das war zu auffällig.
Er fuhr sich durchs Haar. »Komm.«
Sie stiegen aus dem Willys, und Charlene schlüpfte mühelos unter dem Stamm hindurch, während Andy vorsichtig über ihn hinwegstieg und darauf achtete, sich nicht zu verletzen. Das Laub raschelte unter ihren Füßen, als sie weitergingen, und der Wald roch nach Herbst. Ein Eichhörnchen schaute aus einem Baum auf sie herab und beobachtete sie aufmerksam. Blau schimmerte nun wieder das Wasser zwischen den Bäumen.
»Was wolltest du sagen, als wir bei dem Baum waren?« fragte Andy sie.
»Ich wollte wissen, ob wir auch genug Öl haben. Falls wir den Winter über bleiben.«
»Nein, aber für den Anfang reicht’s. Ich werde eine Menge Holz schlagen. Und du kannst eine Menge sammeln.«
Zehn Minuten später mündete der Weg in eine Lichtung am Ufer des Tashmore-Sees, und sie waren da. Einen Augenblick blieben sie schweigend stehen. Andy wußte nicht, was Charlie empfand, aber er selbst wurde so total von seinen Erinnerungen überwältigt, daß ein so milder Ausdruck wie Nostalgie nicht angebracht war. In die Erinnerungen wob sich sein Traum von vor drei Tagen – der Kahn, der zappelnde Regenwurm, sogar die Gummiflicken an Großvaters Stiefeln.
Die Hütte war aus Holz auf einem Felssteinfundament errichtet und hatte fünf Räume. Zum See hin lag eine Art Veranda, und eine kleine Steinmole führte ins Wasser hinaus.
Abgesehen von dem zusammengewehten Laub und den in drei Wintern abgefallenen dürren Ästen, hatte sich hier nicht das geringste verändert. Fast erwartete er, Großvater in einem seiner grünschwarz karierten Hemden herauskommen zu sehen, um ihm zuzuwinken und ihn mit seiner dröhnenden Stimme zu begrüßen. Ihn zu fragen, ob er seinen Angelschein erneuert habe, da die Forellen in der Dämmerung noch immer gut bissen.
Wie gut und sicher hatte man sich hier immer gefühlt. Weit hinten, jenseits des Tashmore-Sees, schimmerten die Tannen graugrün in der Sonne. Dumme Bäume, hatte Großvater einmal gesagt, sie kennen nicht einmal den Unterschied zwischen Sommer und Winter. Das einzige Anzeichen von Zivilisation am gegenüberliegenden Ufer war die Anlegestelle der kleinen Stadt Bradford. Niemand hatte ein Einkaufszentrum oder einen Vergnügungspark gebaut. Hier
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