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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wurde, eine Freistellungsbescheinigung zu unterschreiben. Bitte, geben Sie das unterschriebene Formular am 6. MAl in Zimmer 100 im Jason-Gearneigh-Gebäude ab.
    Und jetzt saß er hier, die Freistellungsbescheinigung war schon abgegeben, der Zigarettenzerreißer Wanless gegangen (er sah tatsächlich dem ›Verrückten Doktor‹ in diesem Horror-Film ein wenig ähnlich), und beantwortete zusammen mit elf weiteren Studenten Fragen über etwaige religiöse Erscheinungen. Ob er Epileptiker sei? Nein. Sein Vater war, als Andy elf war, plötzlich an einem Herzanfall gestorben. Als Andy siebzehn war, hatte er seine Mutter bei einem Autounfall verloren -eine häßliche, traumatische Sache. Seine einzige Verwandte war eine Schwester seiner Mutter, Tante Cora, und die war schon ziemlich alt.
    Er ging die Fragen durch und hakte sie ab. NEIN, NEIN, NEIN. Nur eine Frage beantwortete er mit JA: Haben Sie je eine Fraktur oder eine ernsthafte Verstauchung gehabt? Wenn JA, bitte nähere Angaben. In der vorgesehenen Rubrik notierte er, daß er vor zwölf Jahren bei einem Baseball-Spiel in einer Jugendmannschaft vor der Grundlinie ausgeglitten sei und sich den linken Knöchel gebrochen habe.
    Noch einmal überprüfte er seine Antworten und ließ dabei die Spitze seines Kugelschreibers leicht über die Zeilen gleiten. Plötzlich berührte jemand seine Schulter, und eine angenehme, ein wenig rauhe Mädchenstimme bat: »Leihst du mir den, wenn du fertig bist? Meiner schreibt nicht mehr.«
    »Gern«, sagte er, drehte sich um und reichte ihr den Stift. Hübsches Mädchen. Groß. Rötliches Haar, wunderbar klarer Teint. Sie trug einen rauchblauen Pullover und einen kurzen Rock. Klassebeine. Keine Strümpfe. Beiläufige Taxierung der künftigen Ehefrau.
    Sie nahm den Kugelschreiber und lächelte dankbar. Die Deckenbeleuchtung zauberte Kupferglanz in ihr Haar, das sie hinten lose mit einer weißen Schleife zusammengebunden hatte. Dann beugte sie sich wieder über den Tisch.
    Er nahm sein Formular und ging nach vorn, um es dem Assistenten zu geben. »Danke«, sagte der Assistent monoton wie ein programmierter Roboter. »Zimmer siebzig, Samstag vormittag, neun Uhr. Kommen Sie bitte pünktlich.«
    »Wie heißt das Kennwort?« flüsterte Andy heiser.
    Der Assistent lachte höflich.
    Andy verließ den Hörsaal und ging durch die Halle zu den großen Doppeltüren. Der Frühsommer hatte das Viereck draußen schon mit Grün überzogen, und planlos schlenderten einige Studenten auf und ab. Andy dachte plötzlich an seinen Kugelschreiber. Fast hätte er darauf verzichtet; das Ding hatte nur neunzehn Cent gekostet, und er mußte noch für sein Vorexamen arbeiten. Aber das Mädchen war hübsch gewesen. Vielleicht lohnte es sich, sie noch einmal anzuquatschen. Er machte sich keine Illusionen über sein Aussehen oder seine Gesprächstechnik, die beide schwer einzuordnen waren, oder über die persönlichen Verhältnisse des Mädchens (sie mochte einen festen Freund haben oder sogar verlobt sein), aber es war ein schöner Tag, und er fühlte sich ausgezeichnet. Er beschloß zu warten. Wenigstens würde er diese Beine noch einmal sehen.
    Drei oder vier Minuten später kam sie heraus, ein paar Schreibhefte und ein Buch unter dem Arm. Sie sah wirklich sehr gut aus, und Andy fand, daß es sich gelohnt hatte, auf den Anblick ihrer Beine zu warten. Sie waren nicht nur einfach wohlgeformt; sie waren phantastisch.
    »Oh, da bist du ja«, sagte sie lächelnd.
    »Ich habe gewartet«, sagte Andy McGee. »Was hältst du von der ganzen Sache?«
    »Ach, ich weiß nicht recht«, sagte sie. »Meine Freundin sagt, daß dauernd solche Experimente laufen – sie hat im letzten Semester einen Psycho-Test nach Professor J. B. Rhine mitgemacht und fünfzig Dollar dafür bekommen, obwohl sie bei fast allen Fragen versagt hat. Und da dachte ich eben …« Sie beendete den angefangenen Satz mit einem Achselzucken und warf ihr kupferglänzendes Haar sorgfältig über die Schulter zurück.
    »Mir ging’s ähnlich«, sagte er und nahm seinen Kugelschreiber wieder in Empfang. »Studiert deine Freundin Psychologie?«
    »Ja«, sagte sie, »und mein Freund auch. Er hat einen Kursus bei Dr. Wanless belegt und durfte deshalb nicht mitmachen. Interessenkonflikt oder so was.«
    Ein Freund. Ganz klar, daß eine gutgewachsene rothaarige Schönheit wie sie einen Freund hatte. Das war nun einmal der Lauf der Welt.
    »Und wie war das bei dir?« fragte sie.
    »Genauso. Ein Freund von mir studiert

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