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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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da. Blassmore Place war eine kurze Sackgasse. Hinten gab es keine Ausfahrt, denn ein durchgehender Zaun markierte dort die Begrenzung des Geländes der John-Glenn-Junior-Oberschule.
    Andy parkte den Kombiwagen, wo der Blassmore Place auf die Ridge Street stieß. An der Ecke stand ein hellgrün gestrichenes Haus. Ein Rasensprenger drehte sich, und vorn spielten zwei Kinder von etwa zehn Jahren, ein Mädchen und ein Junge. Sie lösten einander auf einem Skateboard ab. Das Mädchen trug Shorts, und sie hatte an beiden Knien Schürfwunden.
    Er stieg aus dem Wagen und ging auf die beiden zu. Sie schauten auf und mu sterten ihn argwöhnisch.
    »Hallo«, sagte er. »Ich suche meine Tochter. Sie ist hier vor ungefähr einer halben Stunde in einem grauen Lieferwagen vorbeigefahren. Zusammen mit … nun, mit einigen Freunden von mir. Hast du einen grauen Lieferwagen vorbeifahren sehen?«
    Der Junge zuckte vage die Achseln.
    Das Mädchen sagte: »Machen Sie sich Sorgen um sie, Mister?«
    »Du hast den Lieferwagen gesehen, nicht wahr?« fragte Andy freundlich und stieß ganz leicht zu. Mit zu massiver psychischer Beeinflussung hätte er eine gegenteilige Wirkung erzielt. Sie hätte den Lieferwagen in jede von ihm gewünschte Richtung fahren sehen, einschließlich himmelwärts.
    »Ja, ich habe den Lieferwagen gesehen«, sagte sie. Sie stellte sich auf das Skateboard, rollte zu einem Hydranten an der Ecke und stieg ab. »Sie sind dort rauf gefahren.« Sie deutete mit der Hand die Richtung an. Zwei oder drei Kreuzungen weiter in der Richtung lag die Carlisle Avenue, eine der Hauptdurchgangsstraßen von Harrison. Andy hatte schon vermutet, daß sie diesen Weg nehmen würden, aber man mußte sich vergewissern.
    »Danke«, sagte er und stieg wieder in den Wagen.
    »Machen Sie sich Sorgen um sie?« wiederholte sie.
    »Ja, ein bißchen schon«, sagte Andy.
    Er wendete und fuhr drei Blocks weiter bis zur Carlisle Avenue. Es war hoffnungslos, völlig hoffnungslos. Er spürte, wie Panik in ihm aufkam, ein Anflug nur, aber so fing es an. Er unterdrückte das Gefühl gewaltsam und konzentrierte sich darauf, ihnen so dicht wie möglich auf den Fersen zu bleiben. Wenn er seine psychischen Fähigkeiten einsetzen mußte, würde er es tun. Wenn er nicht übertrieb, konnte er hier und da ein bißchen zustoßen, ohne krank zu werden. Er dankte Gott, daß er das Talent – oder den Fluch, wenn man es so betrachten wollte – den ganzen Sommer über nicht eingesetzt hatte. Er war voll aufgeladen, was immer es ihm nützen mochte.
    Die Carlisle Avenue war vierspurig, der Verkehr wurde hier durch Blinklicht geregelt. Rechts lag eine Wagenwaschanlage und links ein aufgegebenes Speiselokal. Auf der gegenüberliegenden Seite sah er eine Exxon-Station und Mikes Foto-Laden.
    Wenn sie links abgebogen waren, mußten sie auf dem Weg in die Stadt hinein sein. Rechts ging es zum Flughafen und zur Interstate 80.
    Andy bog in die Waschanlage ein. Ein junger Bursche, dem eine unglaubliche Mähne von drahtartigem rotem Haar über den Kragen seines grünen Overalls herabfiel, tänzelte herbei. Er aß ein Eis am Stiel.
    »Geht leider nicht, Mann«, sagte er, bevor Andy überhaupt den Mund aufbekam. »Vor ungefähr einer Stunde ist uns die Spülanlage verreckt. Wir haben geschlossen.«
    »Ich will nicht waschen lassen«, sagte Andy. »Ich suche einen grauen Lieferwagen, der vor vielleicht einer halben Stunde hier über die Kreuzung gefahren ist. Meine Tochter sitzt drin, und ich mache mir ein wenig Sorgen um sie.«
    »Glauben Sie, daß jemand sie entführt hat?« Der junge Mann aß weiter sein Eis.
    »Nein, das nicht«, sagte Andy. »Haben Sie den grauen Lieferwagen gesehen?«
    »Grauer Lieferwagen? He, Mann, haben Sie eine Ahnung, wie viele Wagen hier in einer Stunde vorbeifahren? Oder in einer halben? In der Carlisle ist viel Verkehr. Sehr viel Verkehr.«
    Andy zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Er kam vom Blassmore Place. Dort ist es ruhiger.« Er machte sich bereit, dem Jungen einen kleinen Anstoß zu geben, aber das brauchte er nicht. Die Augen des Burschen leuchteten plötzlich auf. Er brach sein Eis in zwei Teile, und mit einem einzigen unwahrscheinlichen Schlürfen lutschte er das ganze purpurfarbene Eis von einem der Stiele.
    »Ja, okay, richtig«, sagte er. »Ich habe ihn gesehen. Wissen Sie auch warum? Der Kerl fuhr über unser Grundstück, um nicht an der Ampel halten zu müssen. Mir ist es egal, aber der Boß schreit Scheiße, wenn er so was sieht.

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