Feuerkind
hatte. Es würde ihm nicht nützen und Charlie schon gar nicht.
»Verdammt«, sagte er. »Ich hatte gehofft, sie dort noch anzutreffen. Wann ist sie gegangen?«
Mrs. Dugans Stimme wurde ein wenig schwächer. »Terri, wann ist Charlie gegangen?«
Eine Kinderstimme piepste etwas. Er verstand es nicht. Zwischen den Knöcheln brach ihm der Schweiß aus.
»Sie sagt, vor ungefähr fünfzehn Minuten.« In ihrer Stimme lag Bedauern. »Ich war gerade mit der Wäsche beschäftigt, und ich habe keine Uhr. Einer kam zu mir runter und sprach mit mir. Es war doch in Ordnung, Mr. McGee, oder? Er sah ganz sympathisch aus …«
Ein irrer Impuls überkam ihn, einfach zu lachen und zu sagen Sie haben also gewaschen?Meine Frau auch. Ich fand sie tot unter dem Bügelbrett. Sie haben heute Glück gehabt, Joan Er sagte: »Schön. Wollten sie gleich herkommen?«
Die Frage wurde an Terri weitergegeben, die es nicht wußte. Wunderbar, dachte Andy. Das Leben meiner Tochter liegt in den Händen einer anderen Sechsjährigen.
Er griff nach einem Strohhalm. »Ich muß noch zum Markt an der Ecke«, sagte er zu Mrs. Dugan. »Würden Sie bitte Terri fragen, ob sie den Kombi oder den Lieferwagen hatten? Falls ich sie sehe.«
Diesmal verstand er, was Terri sagte. »Es war der Lieferwagen. Sie sind in einem grauen Lieferwagen weggefahren, wie der, den David Pasiocos Vater hat.«
»Danke«, sagte er, und Mrs. Dugan meinte, es sei gern geschehen. Wieder kam der Impuls. Diesmal aber hätte er am liebsten durch den Draht geschrien. Meine Frau ist tot. Und warum haben Sie Wäsche gewaschen, während meine Tochter mit ein paar fremden Männern in einen grauen Lieferwagen stieg?
Aber statt zu schreien oder sonst etwas zu tun, legte er auf und ging nach draußen. Die Hitze taf ihn wie ein Schlag auf den Kopf, und er schwankte ein wenig. War es genauso heiß gewesen, als er herkam? Es schien jetzt viel heißer zu sein. Die Post war gekommen. Ein Werbeprospekt der Firma Woolco steckte halb im Briefkasten. Der war vorher noch nicht da gewesen. Der Zusteller war gekommen, während er im Keller war und seine tote Frau im Arm hielt. Seine arme tote Vicky: sie hatten ihr die Fingernägel ausgerissen, und es war komisch -wirklich viel komischer als die Art und Weise, wie sich Schlüssel ansammeln –, wie die Tatsache des Todes einen von verschiedenen Seiten und aus verschiedenen Ecken überfiel. Man drehte und wendete sich, man versuchte, einen Schutzwall aufzurichten, aber seine schreckliche Wahrheit bohrte sich von der anderen Seite n einen hinein. Der Tod ist wie ein Fußballspieler, dachte er. Kaum hat man den Ball, läßt er einen auf den Arsch fallen.
Beweg dich, dachte er. Die Spur ist noch heiß. Es sei denn, Terri Dugan kennt nicht den Unterschied zwischen fünfzehn Minuten und zwei Stunden. Wie dem auch sei, beeil dich.
Und er beeilte sich. Er ging zu seinem Kombiwagen zurück, der halb auf dem Fußweg, halb auf der Fahrbahn parkte. Er riß die Tür zum Fahrersitz auf und gönnte dem schmucken Vorstadthaus, dessen Hypotheken schon zur Hälfte abgetragen waren, noch einen letzten Blick. Wenn es nötig war, gewährte einem die Bank für zwei Monate im Jahr eine »Zahlpause«, Andy hatte eine solche Pause noch nie benötigt. Er sah zum Haus hinüber, das in der Sonne zu schlafen schien, und wieder fiel sein entsetzter Blick auf den rotleuchtenden Werbeprospekt von Woolco, und wieder wurde ihm die Tatsache dieses Todes so erschreckend klar, daß ihm alles vor den Augen verschwamm und er mit aller Gewalt die Zähne zusammenbiß.
Er stieg ein und fuhr los. Er wollte zu der Straße, in derTerri Dugan wohnte. Nicht, weil er ernsthaft und logisch glaubte, die Spur aufnehmen zu können, sondern aus einer blinden Hoffnung heraus. Seitdem hatte er sein Haus am Conifer Place nicht mehr wiedergesehen.
Er fuhr jetzt besser. Nun, da er das Schlimmste wußte, fuhr er sogar sehr viel besser. Er stellte das Radio an. Bob Seger sang gerade »Still the Same«.
Er fuhr quer durch Lakeland und fuhr so schnell, wie er es noch gerade wagen konnte. Einen entsetzlichen Augenblick lang fiel ihm der Name der Straße nicht ein, aber dann wußte er ihn wieder. Die Adresse der Dugans war Blassmore Place. Vicky und er hatten darüber ihre Witze gemacht: die Häuser am Blassmore Place hatte ein gewisser Bill Blass entworfen. Er mußte bei dieser Erinnerung lächeln, und wieder traf ihn die Tatsache ihres Todes wie ein Faustschlag, und er zuckte zusammen. In zehn Minuten war er
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