Feuerkind
Geräusch verursachte, während das Wäschestück herumwirbelte. Andy schaltete das Gerät ab, ging an den Wandschrank, in dem das Bügelbrett gestanden hatte, und schaute genauer hin.
»Vicky«, sagte er leise.
Sie starrte ihn aus toten Augen an. Seine Frau. Er war mit ihr gewandert, hatte ihre Hand gehalten, war im Dunkel der Nacht in ihren Leib eingedrungen. Er erinnerte sich an den Abend, als sie auf einer Fakultätsparty zuviel getrunken hatte und er ihr, als sie sich erbrach, den Kopf gehalten hatte. Und dann kam die Erinnerung an den Tag, als er den Kombiwagen gewaschen hatte und in die Garage gegangen war, um ein Pflegemittel zu holen. Sie hatte den Schlauch genommen, war hinterhergerannt und hatte ihm den Schlauch hinten in die Hose gesteckt. Er erinnerte sich an den Tag ihrer Eheschließung, als er sie vor allen Leuten geküßt hatte. Wie hatte er diesen Kuß genossen, wie hatte er ihren Mund genossen und ihre vollen, weichen Lippen.
»Vicky«, sagte er noch einmal und stieß einen langen, zitternden Seufzer aus. Er zog sie aus dem Schrank und entfernte den Lappen aus ihrem Mund. Der Kopf sank ihr schlaff auf die Schultern. Er sah, daß das Blut von ihrer rechten Hand stammte, an der einige Fingernägel ausgerissen waren. Ein wenig Blut war ihr aus der Nase getröpfelt. Sonst sah er kein Blut. Sie hatten ihr mit einem einzigen harten Schlag das Genick gebrochen.
»Vicky«, flüsterte er.
Charlie, flüsterte es zu ihm.
In der völlig ruhigen Gemütsverfassung, in der er sich jetzt befand, begriff er, daß Charlie wichtig geworden war. Sie war das einzig Wichtige. Alles andere blieb der Zukunft überlassen.
Er ging in das große Zimmer zurück, ohne das Licht anzuschalten. Hinten im Zimmer, neben dem Ping-Pong-Tisch, nd eine Couch, auf der eine Decke lag. Er nahm sie, ging in Wäscheraum zurück und deckte Vicky mit ihr zu. Irgendwie war der Anblick der reglosen Gestalt unter der Decke noch schlimmer. Er stand wie hypnotisiert. Würde sie sich nie wieder bewegen? Konnte das sein?
Er deckte ihr Gesicht auf und küßte ihre Lippen. Sie waren kalt.
Sie haben ihr die Nägel ausgerissen. Sein Verstand konnte es nicht fassen. Mein Gott, sie haben ihr die Nägel ausgerissen.
Und er wußte warum. Sie wollten wissen, wo Charlie war. sie zu Terri Dugans Haus ging, anstatt nach dem Ausflug nach Hause zu gehen, mußten sie irgendwie ihre Spur verloren haben. Sie gerieten in Panik, und jetzt war die Zeit der Überwachung vorüber. Vicky war tot – entweder nach Plan, oder einer der Agenten der Firma hatte die Nerven verloren. Andy kniete sich neben Vicky und hielt es für möglich, daß sie, von Angst getrieben, etwas viel Spektakuläreres getan hatte, als von weitem eine Kühlschranktür zu schließen. Vielleicht hatte sie durch Telekinese einen von ihnen weggeschoben, einen anderen vielleicht von den Füßen geholt. Schade, daß sie nicht genügend psychische Kraft gehabt hatte, sie mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Meilen in der Stunde gegen die Wand zu schmettern, dachte er.
Er nahm an, daß sie gerade genug wußten, um nervös zu werden. Vielleicht hatten sie sogar spezifische Anweisungen bekommen: Die Frau könnte äußerst gefährlich sein. Wenn sie etwas unternimmt – irgend etwas –, das den Erfolg der Aktion gefährden könnte, erledigt sie. Schnell.
Vielleicht wollten sie auch nur keine Zeugen zurücklassen. Für sie stand schließlich mehr auf dem Spiel, als die Steuern der Staatsbürger auszugeben.
Aber das Blut. Er mußte an das Blut denken, das noch nicht trocken gewesen war, als er es fand, nur klebrig. Sie konnten noch nicht lange weg sein.
Drängender sagte seine innere Stimme: Charlie!
Noch einmal küßte er seine Frau und sagte: »Vicky, ich komme zurück.«
Aber er hatte auch Vicky nie wiedergesehen.
Er war nach oben zum Telefon gegangen und hatte die Nummer der Dugans in Vicky s Telefonverzeichnis gefunden. Er wählte die Nummer, und Joan Dugan war am Apparat.
»Hallo, Joan«, sagte er, und nun half ihm der Schock: Seine Stimme war völlig ruhig, eine ganz normale Stimme. »Könnte ich Charlie kurz sprechen?«
»Charlie?« Mrs. Dugans Stimme klang unsicher. »Aber die wurde doch von Ihren beiden Freunden abgeholt. Von diesen Lehrern. Ist … war das denn nicht in Ordnung?«
Etwas in ihm explodierte und kam dann wieder zur Ruhe. Sein Herz vielleicht. Aber es hatte keinen Zweck, diese nette Frau in Panik zu versetzen, die er höchstens vier-oder fünfmal auf Partys getroffen
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