Feuerkind
Nicht, daß es heute was ausmacht, wo doch die Spülanlage im Arsch ist. Aber der ärgert sich über Gott und die Welt.«
»Der Lieferwagen ist also in Richtung Flughafen gefahren.«
Der Junge nickte, warf den Stiel weg und machte sich an das restliche Eis. »Hoffentlich finden Sie Ihr Mädchen, alter Junge. lch kann Ihnen gratis einen guten Rat geben. Wenn Sie sich wirklich Sorgen machen, rufen Sie doch die Bullen.«
»Ich glaube, das würde nicht viel nützen«, sagte Andy. »Unter diesen Umständen.«
Er stieg wieder in den Wagen, fuhr selbst über das Gelände und bog in die Carlisle Avenue ein. Er fuhr nun in westlicher Richtung.
In der Gegend wimmelte es von Tankstellen, Wagenwaschanlagen, Imbißbuden, Gebrauchtwagenhändlern. Ein Drive-in-Kino pries zwei Filme in einer Vorstellung an: DIE LEICHENSCHÄNDER und BLUTIGER TOD. Andy schaute unter das Schutzdach und hörte das Bügelbrett wie eine Guillotine rasselnd hinabsausen. Ihm drehte sich der Magen um.
Er fuhr unter einem Schild durch, auf dem zu lesen stand, daß man anderthalb Meilen weiter westlich auf die Interstate 80 fahren konnte. Weiter hinten stand ein kleineres Schild, auf dem ein Flugzeug abgebildet war. Okay, so weit war er gekommen. Was nun?
Plötzlich rollte er auf den Parkplatz eines Pizza-Restaurants. Es hatte keinen Sinn, sich hier in der Gegend noch einmal zu erkundigen. Wie der Wagenwäscher ihm schon gesagt hatte, herrschte in der Carlisle Avenue ständig starker Verkehr. Er konnte die Leute psychisch beeinflussen, bis ihm das Gehirn tropfte; es würde ihm höchstens gelingen, sich selbst durcheinanderzubringen. Es war entweder die Interstate oder der Flughafen. Soviel stand für ihn fest.
Er hatte sich nie im Leben um Vorahnungen bemüht. Wenn er sie tatsächlich hatte, betrachtete er sie einfach als eine Art Geschenk, und meistens richtete er sich nach ihnen. Er ließ sich noch tiefer in den Fahrersitz sinken, berührte die Schläfen leicht mit den Fingerspitzen und hoffte, daß etwas kam. Der Motor lief im Leerlauf, das Radio war noch eingeschaltet. Dance, little sister, dance.
Charlie, dachte er. Als sie zu Terri ging, hatte sie ihre Kleider in den Rucksack gestopft, den sie fast immer bei sich hatte. Das hatte wahrscheinlich dazu beigetragen, die Leute von der Firma irrezuführen. Als er sie zuletzt sah, trug sie Jeans und eine lachsfarbene Bluse. Wie fast immer, war ihr Haar zu Zöpfen geflochten. Ein lässiges Good-bye, Daddy, und ein Kuß und, heiliger Himmel, wo bist du jetzt, Charlie?
Nichts kam.
Macht nichts.
Einfach ein wenig länger sitzen bleiben. Die Stones hören. Das Pizza-Restaurant. Sie können wählen, dünne Kruste oder ganz knusprig. Ihr zahlt euer Geld und habt die Wahl, wie Großvater McGee immer sagte. Die Stones ermahnen die kleine Schwester zu tanzen, zu tanzen, zu tanzen. Quincey sagt, sie werden sie wahrscheinlich in einen Raum sperren, damit zweihundertzwanzig Millionen Amerikaner in Sicherheit und Freiheit leben können. Vicky. Er und Vicky hatten anfangs, was die sexuelle Seite ihrer Ehe betraf, große Schwierigkeiten gehabt. Sie hatte sich zu Tode geängstigt. Nenn mich doch einfach das Mädchen aus Eis, hatte sie nach diesem elenden, verpfuschten ersten Mal unter Tränen gesagt. Kein Sex, bitte, wir sind britisch. Aber irgendwie hatte das Experiment Lot Sechs dabei geholfen – die Gesamtsumme dessen, was sie gemeinsam erlebt hatten, war in gewisser Weise schon eine Art Paarung. Dennoch war es schwierig gewesen. Schritt für Schritt. Zärtlichkeit. Tränen. Vicky fing an, auf ihn einzugehen. Dann wieder die Verkrampfung. Der Aufschrei tu’s nicht, es wird weh tun, tu’s nicht, Andy, hör auf! Und irgendwie war es das Experiment mit Lot Sechs, diese gemeinsame Erfahrung, die ihn in die Lage versetzt hatte, es immer wieder zu versuchen, wie ein Geldschrankknacker, der weiß, daß es eine Möglichkeit gibt, daß es immer eine Möglichkeit gibt. Und es hatte eine Nacht gegeben, in der es klappte. Später kam eine Nacht, in der es gut war. Dann plötzlich eine Nacht, in der es wunderschön war. Er war bei ihr gewesen, als Charlie geboren wurde. Eine schnelle und leichte Geburt.
Nichts kam. Die Spur erkaltete, und er hatte nichts. Flughafen oder Interstate?
Die Stones waren verstummt. Es folgten die Doobie Brothers, die wissen wollten, wo man ohne Liebe jetzt wohl sei. Andy wußte es nicht. Die Sonne brannte vom Himmel. Die Streifen auf dem Parkplatz des Restaurants waren frisch gestrichen
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