Feuerklingen (First Law - Band 2)
Aufstellung nehmen!«
»In Reih und Glied jetzt, Jungs!«
»Seid bereit!«
»Achtung!«
Rasseln und Klappern drang aus der grauen Suppe. Männer in Rüstungen, die sich bewegten, Speere aufpflanzten, Schwerter zogen, und Rufe, die von Mann zu Mann oder Einheit zu Einheit weitergegeben wurden. Über all diesen Geräuschen war nun immer lauter das unheimliche Heulen zu hören, unter dem die Nordmänner, die den Abhang hinunter und ins Tal strömten, die Unionssoldaten angriffen. West fühlte, wie ihm das Blut gefror, obwohl zwischen ihm und dem Feind einige hundert Schritte und einige tausend Bewaffnete lagen. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie sich die Männer in den ersten Reihen fühlten, vor denen nun die Carls allmählich aus dem Nebel auftauchten, ihre wilden Kriegsschreie ausstießen und die Waffen in Anschlag brachten.
Kein besonderes Geräusch markierte den Augenblick, in dem beide Heere endlich aufeinandertrafen. Das Klappern wurde nur lauter und lauter, und zu den Rufen und dem Gebrüll gesellten sich immer mehr hohes Geschrei und tiefes Knurren, Schmerzensschreie oder Wutgeheul. Im Hauptquartier sprach keiner ein Wort. Jeder, auch West, versuchte die graue Suppe um sie herum mit Blicken zu durchdringen und mit allen Sinnen auf irgendeine Art und Weise zu erfassen, was vor ihnen im Tal geschah.
»Da!«, schrie jemand. Eine kaum erkennbare Gestalt bewegte sich im Nebel vor ihnen. Alle Augen wandten sich ihr zu, während sie sich immer deutlicher abzeichnete. Ein junger, atemloser, schlammbespritzter und völlig verwirrter Leutnant. »Wo, zur Hölle, ist das Hauptquartier?«, brüllte er, als er sich den Hügel hinaufmühte.
»Hier.«
Der Mann grüßte West auf beinahe übertriebene Weise. »Euer Hoheit …«
»Ich bin Ladisla«, fauchte der echte Prinz. Der Mann wandte sich hastig um und grüßte erneut. »Überbringen Sie Ihre Nachricht, Mann!«
»Natürlich, sicher, Euer Hoheit, Major Bodzin schickt mich, um Ihnen mitzuteilen, dass sein Bataillon sehr stark bedrängt wird, und …«, noch immer rang er nach Luft, »er braucht Verstärkung.«
Ladisla sah den jungen Mann an, als habe er in einer fremden Sprache gesprochen. Er sah West an. »Wer ist Major Bodzin?«
»Der Befehlshaber des ersten Bataillons der Einberufenen aus Starikland, Euer Hoheit, auf unserer linken Flanke.«
»Die linke Flanke, ich verstehe … äh …«
Schnell bildete sich ein Halbkreis grell gekleideter Stabsoffiziere um den atemlosen Leutnant. »Sagen Sie dem Major, er soll die Stellung halten!«, rief einer von ihnen.
»Ja«, sagte Ladisla, »sagen Sie Ihrem Major, er soll die Stellung halten, und, ähm, den Feind zurückschlagen. Ja, genau!« Allmählich freundete er sich mit seiner Rolle an. »Er soll ihn zurückschlagen und bis zum letzten Mann kämpfen! Sagen Sie Major Klodzin, die Verstärkung sei auf dem Weg. Garantiert … auf dem Weg!« Und damit marschierte der Prinz erhobenen Hauptes davon.
Der junge Leutnant wandte sich um und spähte in den dichten Nebel. »In welcher Richtung befindet sich meine Einheit?«, fragte er sich halblaut.
Nun wurden noch mehr Gestalten sichtbar. Laufende Gestalten, die sich durch den Morast kämpften und nach Atem rangen. Einberufene, wie West sofort entdeckte, die von ihren auseinanderbrechenden Einheiten getrennt worden waren, kaum dass sie Feindberührung gehabt hatten. Als ob es je eine Aussicht gegeben hätte, dass sie länger standhalten würden.
»Feige Hunde!«, fluchte Smund ihnen hinterher. »Kommt sofort hierher zurück!« Genauso gut hätte er dem Nebel Befehle erteilen können. Jeder war nun in Bewegung: Deserteure, Adjutanten, Boten, die Hilfe, neue Anweisungen oder Verstärkung anforderten. Auch die ersten Verwundeten. Einige humpelten aus eigener Kraft oder benutzten abgebrochene Speere als Krücken, andere wurden halb von ihren Kameraden getragen. Pike stürzte nach vorn, um einem bleichen Mann zu helfen, dem der Bolzen eines Flachbogens vorn aus der Schulter sah. Ein weiterer Verletzter, der leise vor sich hin brabbelte, wurde auf einer Bahre vorbeigetragen. Sein linker Arm war knapp unterhalb des Ellenbogens abgehauen worden, und Blut sickerte durch ein straff um den Stumpf gewickeltes, dreckiges Tuch.
Ladisla war aschfahl geworden. »Ich habe Kopfschmerzen. Ich muss mich setzen. Was ist aus meinem Feldhocker geworden?«
West nagte an seiner Lippe. Jetzt hatte er keine Ahnung mehr, was er tun sollte. Burr hatte ihn wegen seiner großen Erfahrung an
Weitere Kostenlose Bücher