Feuerklingen (First Law - Band 2)
des Berges befand, und es gab keinen anderen Grund für diese Männer, dort oben zu sein, als dass sie die Unionsarmee ablenken oder aber in eine Falle locken sollten. Seine Zweifel wurden jedoch nicht von allen geteilt.
»Sie verspotten uns!«, fauchte Smund, der durch sein eigenes Fernglas linste. »Wir sollten ihnen die Lanzen der Union zu schmecken geben! Ein schneller Ausfall, und unsere Reiterei würde diesen wüsten Haufen zerstreuen und den Berg für uns einnehmen!« Er klang gerade so, als werde damit der ganze Feldzug zu einem schnellen und ruhmreichen Ende gebracht, dabei war dieser Berg völlig unbedeutend, wenn man einmal davon absah, dass die Nordmänner dort oben warteten.
West konnte nichts anderes tun, als die Zähne zusammenzubeißen und den Kopf zu schütteln, wie er es schon etwa hundertmal an diesem Tag getan hatte. »Sie haben den Vorteil, dass sie auf der Höhe stehen«, erklärte er und gab sich Mühe, langsam und geduldig zu sprechen. »Das ist ein ungünstiges Gelände für einen Ausfall, und sie haben vielleicht auch Verstärkung. Nach all dem, was wir wissen, könnte der Großteil von Bethods Heer hinter diesem Berg lauern.«
»Sie sehen aus, als seien sie nur Kundschafter«, meinte Ladisla.
»Das mag täuschen, Euer Hoheit, und der Berg an sich ist bedeutungslos. Die Zeit ist auf unserer Seite. Marschall Burr wird uns zu Hilfe eilen, während Bethod keine weitere Unterstützung erwarten kann. Wir haben keinen Grund, jetzt schon auf eine Schlacht zu drängen.«
Smund schnaubte. »Keinen Grund, abgesehen davon, dass wir im Krieg sind und der Feind sich vor uns auf dem Boden der Union befindet! Sie reiten ständig auf der schlechten Moral unserer Truppen herum, Herr Oberst!« Er deutete mit heftigen Handbewegungen auf den gegenüberliegenden Höhenrücken. »Was wäre denn wohl schlimmer für den Kampfgeist unserer Soldaten, als faul im Angesicht des Feindes herumsitzen zu müssen?«
»Eine schnelle und sinnlose Niederlage vielleicht?«, knurrte West.
Es war ein unglücklicher Zufall, dass ausgerechnet in diesem Moment einer der Nordmänner einen Pfeil in das Tal hinunterschickte. Ein winziger schwarzer Splitter segelte durch die Luft. Er war nur von einem Kurzbogen abgeschossen worden. Obwohl er von der Höhe kam und daher hinsichtlich der Reichweite im Vorteil war, trudelte der Pfeil harmlos einige hundert Schritte vor den vordersten Reihen zu Boden. Es war eine einzigartig sinnlose Geste, die aber ihre Wirkung auf Prinz Ladisla nicht verfehlte.
Er sprang von seinem zusammenklappbaren Feldhocker. »Verdammt sollen sie sein!«, fluchte er. »Sie verspotten uns!« Er ging auf und ab und schwenkte die Faust. »Veranlassen Sie sofort einen Ausfall der Kavallerie!«
»Euer Hoheit, ich bitte Sie zu bedenken …«
»Verdammt noch mal, West!« Der Thronerbe schleuderte seinen Hut auf den schlammigen Boden. »Sie widersprechen mir bei jeder Gelegenheit! Hätte Ihr Freund Oberst Glokta im Angesicht des Feindes gezögert?«
West schluckte. »Oberst Glokta wurde von den Gurkhisen gefangen genommen und brachte jedem Mann unter seinem Kommando den Tod.« Er bückte sich langsam und hob den Hut wieder auf, hielt ihn dem Prinzen achtungsvoll hin und fragte sich die ganze Zeit, ob er gerade das abrupte Ende seiner Karriere eingeleitet hatte.
Ladisla knirschte mit den Zähnen, zog hart die Luft durch die Nase ein und riss West den Hut aus der Hand. »Ich habe meine Entscheidung getroffen! Nur mir obliegt die Verantwortung für dieses Kommando, mir allein!« Er wandte sich wieder zum Tal. »Blasen Sie zum Angriff!«
West fühlte sich plötzlich schrecklich müde. Es kam ihm vor, als ob er kaum noch die Kraft zum Stehen hätte, während die lebhafte Fanfare die klare Luft durchdrang, die Reiter sich mühsam in die Sättel schwangen und mit aufgestellten Lanzen zwischen den Infanterieblöcken den Abhang hinunterritten. Unten angekommen, fielen sie in Galopp, und halb verschluckte sie die Nebelbank, während das Donnern der Hufe im Tal widerhallte. Einige einzelne Pfeile gingen zwischen ihnen nieder und prallten wirkungslos von ihren schweren Rüstungen ab, als sie weiter vordrangen. Sie begannen langsamer zu werden, als es wieder aufwärtsging, und ihre Reihen lösten sich auf, als sie sich über den unebenen Boden quälten, aber der Anblick des gewichtigen Stahls und der vielen Pferde verfehlte seine Wirkung auf die Nordmänner nicht. Ihre lückenhafte Aufstellung begann zu wanken und
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