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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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schließlich gelähmtem Entsetzen geworden. »Sie haben Flachbogen?«, stieß jemand hervor. West sah durchs Fernrohr zu den Bogenschützen auf dem Berg hinüber, wie sie langsam die Sehnen spannten, die kurzen Bolzen aus ihren Köchern zogen und sie anlegten. Die Reichweite war gut berechnet. Sie hatten nicht nur Flachbogen, sie wussten auch mit ihnen umzugehen. West eilte zu Prinz Ladisla hinüber, der mit offenem Mund zusah, wie ein Verwundeter aus den Reihen der Königstreuen mit schlaff herabhängendem Kopf weggetragen wurde.
    »Euer Hoheit, wir müssen entweder vorrücken und die Entfernung verringern, damit unsere Bogenschützen zurückschießen können, oder aber uns auf die Höhe zurückziehen!« Ladisla starrte ihn nur an und ließ mit keiner Regung erkennen, ob er ihn gehört, geschweige denn verstanden hatte. Eine zweite Salve regnete auf die Infanterie vor ihnen nieder. Dieses Mal traf sie die Einberufenen, eine Einheit ohne Schilde oder Rüstungen. Überall klafften plötzlich Löcher in der unordentlichen Formation, Löcher, die der aufsteigende Nebel schloss, und das ganze Bataillon schien zu stöhnen und zu wanken. Ein Verwundeter stieß ein dünnes, animalisches Geheul aus, das gar nicht mehr aufhören wollte. »Euer Hoheit, rücken wir vor oder ziehen wir uns zurück?«
    »Ich … wir …« Ladisla glotzte Lord Smund an, aber dieses eine Mal war der junge Edelmann um eine Antwort verlegen. Er sah sogar noch verwirrter aus als der Prinz, falls das möglich war. Ladislas Oberlippe bebte. »Wie … ich … Oberst West, was meinen Sie?«
    Die Versuchung, den Kronprinzen daran zu erinnern, dass ihm und ihm allein die Verantwortung für das Kommando oblag, war beinahe unwiderstehlich, aber West biss sich auf die Zunge. Ohne eine zielgerichtete Aktion würde sich die ungeordnete Truppe in kürzester Zeit völlig auflösen. Besser, man tat etwas Falsches, als untätig herumzustehen. Er wandte sich an den nächsten Trompeter: »Blast zum Rückzug!«, brüllte er.
    Die Fanfare für den Rückzug erscholl, grell und dissonant. Es war kaum zu glauben, dass die gleichen Instrumente nur wenige Minuten zuvor so kühn zum Angriff geblasen hatten. Die Bataillone bewegten sich zögerlich und ruckartig rückwärts. Wieder prasselte ein Pfeilhagel auf die Einberufenen nieder und noch einer. Ihre Formation brach bereits auseinander, die ersten Männer rannten weg, um dem mörderischen Regen zu entgehen, stolperten übereinander, die Reihen verwandelten sich in Knäuel, und die Luft war voller Schreie und Verwirrung. West konnte kaum sagen, wo der nächste Schauer traf, den die Flachbogen aussandten, so hoch war der Nebel inzwischen. Die Bataillone der Union waren nur noch an einigen wankenden Speerspitzen und dem einen oder anderen Helm auszumachen, die über die graue Wolke lugten. Selbst hier, hoch über dem ganzen Durcheinander, kräuselte sich der Nebel schon um Wests Knöchel.
    Oben auf dem Berg setzten sich nun die Carls in Bewegung. Sie reckten die Waffen in die Luft und schlugen sie gegen die bemalten Schilde. Dann folgte ein lautes Geschrei, aber nicht das tiefe Brüllen, das West erwartet hätte. Stattdessen schwebte ein seltsames Heulen durch das Tal, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ, ein klagendes Jammern. Es übertönte das Rasseln und Klappern von Metall und bohrte sich in die Ohren der Männer, die unten im Tal dem Spektakel zusahen. Es war ein geistloser, wilder, primitiver Laut. Ein Laut von Ungeheuern, nicht von Menschen.
    Prinz Ladisla und seine Gefolgsleute starrten einander an, stotterten Worte und sahen dann mit starren Blicken zu, wie die Carls den Hügel hinuntertrampelten, eine Reihe nach der anderen, und auf den sich weiter verdichtenden Nebel zuhielten, der die Talsenke bedeckte, wo die Unionstruppen noch immer blindlings auf dem Rückzug waren. West drängte sich durch die wie gelähmt dastehenden Offiziere zum Trompeter durch.
    »Schlachtordnung!«
    Der Bursche wandte seinen entsetzten Blick von den vorrückenden Nordmännern zu West, während ihm die Trompete schlaff in den kraftlosen Fingern hing.
    »Aufstellung!«, schrie eine Stimme hinter ihnen. »In Reih und Glied!« Es war Pike, der so laut brüllte, dass er jedem Korporal Ehre gemacht hätte. Der Trompeter hob sein Instrument an die Lippen und blies, was seine Lungen hergaben. Durch den Nebel, der sie nun ganz umgab, hallten Antwortfanfaren zurück. Gedämpfte Fanfaren, gedämpfte Schreie.
    »Stehen bleiben und

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