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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Plötzlich war es zu spät für Heldentaten, und das wusste er. Es war längst zu spät.
    Das Schicksal der Männer unten im Tal war schon seit geraumer Zeit besiegelt. Als Ladisla den Gedanken gefasst hatte, den Fluss zu überqueren. Als Burr seine Strategie festgelegt hatte. Als der Geschlossene Rat zugestimmt hatte, den Kronprinzen im Norden Ruhm und Ehre suchen zu lassen. Als die großen Adelsgeschlechter der Union Bettler statt Soldaten schickten, um für den König zu kämpfen. Hunderte von Entscheidungen, die Tage, Wochen oder Monate zurücklagen, kamen hier nun auf diesem wertlosen morastigen Gelände zusammen. Entwicklungen, die weder Burr noch Ladisla oder West hätten voraussagen oder verhindern können.
    Er konnte nun nichts mehr daran ändern. Das konnte niemand. Der Tag war verloren.
    »Beschützen Sie den Prinzen«, murmelte er.
    »Was?«
    West suchte den Boden ab, er wühlte in den verstreuten Sachen herum, drehte die Leichen mit seinen dreckigen Händen um. Ein Meldereiter sah zu ihm auf, sein Gesicht war an der Seite aufgeschlitzt, und eine blutige Masse quoll aus der Wunde. West würgte, bedeckte seinen Mund, kroch auf Händen und Knien zum nächsten Toten. Ein Mann aus dem Stab des Prinzen, dem immer noch ein leicht überraschter Ausdruck im Gesicht geschrieben stand. Ein zackiger Schwertstreich lief durch die schwere Goldstickerei auf seiner Uniform bis hinunter zu seinem Bauch.
    »Was, zur Hölle, tun Sie da?« Pikes knurrige Stimme. »Dafür ist jetzt keine Zeit!« Der Sträfling hatte irgendwo eine Axt gefunden. Eine schwere Nordmann-Axt, deren Schneide blutverschmiert war. Wahrscheinlich keine gute Idee, dass ein Sträfling eine solche Waffe hatte, aber West hatte im Augenblick andere Sorgen.
    »Wir müssen Prinz Ladisla finden!«
    »Scheiß auf den!«, zischte Cathil. »Hauen wir ab!«
    West schüttelte ihre Hand ab, stolperte zu einem Haufen zerschlagener Kisten hinüber und wischte sich erneut das Blut aus den Augen. Irgendwo hier. Irgendwo hier in der Nähe hatte Ladisla gestanden …
    »Nein, ich flehe Sie an, nein!«, kreischte eine Stimme. Der Thronerbe der Union lag auf dem Rücken in einer kleinen Senke und war halb vom verkrümmten Leichnam eines seiner Leibwächter verdeckt. Die Augen hielt er fest zusammengepresst, die Arme vor dem Gesicht verschränkt, und seine weiße Uniform war mit rotem Blut bespritzt und mit schwarzem Schlamm verkrustet. »Es gibt ein Lösegeld!«, wimmerte er, »ein Lösegeld! Mehr, als Sie sich vorstellen können.« Ein Auge schielte zwischen den Fingern hindurch. Er grabschte nach Wests Hand. »Oberst West! Sind Sie es? Sie leben noch!«
    Für Nettigkeiten blieb keine Zeit. »Euer Hoheit, wir müssen verschwinden!«
    »Verschwinden?«, wiederholte Ladisla verständnislos. Tränenspuren zierten sein Gesicht. »Aber Sie meinen doch sicherlich nicht … haben wir gewonnen?«
    West biss sich beinahe auf die Zunge. Es war widersinnig, dass gerade ihm diese Aufgabe zufallen sollte, aber er musste den Prinzen retten. Dieser eitle und nutzlose Idiot mochte das nicht verdienen, aber das änderte nichts daran. West musste es für sich selbst tun, nicht für Ladisla. Es war seine Pflicht als Untertan, seinen zukünftigen König in Sicherheit zu bringen, seine Pflicht als Soldat gegenüber seinem Befehlshaber und überhaupt als Mensch gegenüber seinem Nächsten. Es war für den Augenblick überhaupt alles, was er tun konnte. »Sie sind der Thronerbe, Ihre Person ist von großer Wichtigkeit.« West beugte sich hinunter und packte den Prinzen am Ellenbogen.
    Ladisla fummelte an seinem Gürtel herum. »Ich habe meinen Degen irgendwo verloren …«
    »Wir haben keine Zeit!« Jetzt riss West ihn hoch; er war bereit, den Prinzen zu tragen, wenn es sein musste. Dann bahnte er sich den Weg durch den Nebel, und die beiden Sträflinge folgten ihm direkt auf den Fersen.
    »Sind Sie sicher, dass dies der richtige Weg ist?«, knurrte Pike.
    »Ich bin sicher.« Er war es nicht im Geringsten. Der Nebel war dicker als je zuvor. Das Dröhnen in seinem Kopf und das Blut, das ihm in die Augen rann, ließen ihn nur kaum einen klaren Gedanken fassen. Das Kampfgetöse schien von überallher zu kommen: Metall schlug klappernd und knirschend aufeinander, Stöhnen, Jammern und Wutgeheul war zu hören, und all das schien durch den Nebel im einen Augenblick ganz weit weg, im nächsten erschreckend nah zu sein. Ein Reiter zeichnete sich in der grauen Suppe ab, und West keuchte und hob sein

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