Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
früher, und die Zähne werden Euch natürlich auch nicht nachwachsen, aber für die jungenhafte Anziehungskraft, die Ihr verliert, werdet Ihr später ganz sicher einen gewissen Hauch von Gefahr und Abenteuer mitbringen und ungeschliffen geheimnisvoll wirken. Die Menschen respektieren einen Mann, dem man ansieht, dass er schon gekämpft hat, und Euer Äußeres ist keinesfalls entstellt. Vermutlich wären die Mädchen noch immer bereit, sich in Euch zu verlieben, vorausgesetzt, dass Ihr etwas tätet, das des Verliebtseins wert wäre.« Er nickte gedankenverloren. »Ja. Insgesamt reicht das wohl, denke ich.«
    »Es reicht?«, murmelte Jezal, der eine Hand gegen den Verband gedrückt hielt. »Reicht wozu?«
    Aber Bayaz’ war mit seinen Gedanken schon woanders. »Harod der Große hatte eine Narbe auf der Wange, wie Ihr sicher wisst, und ihm hat das nie geschadet. Auf den Statuen sieht man sie natürlich nicht, aber die Menschen haben ihn zu seiner Zeit deswegen nur umso mehr geachtet. Ein wahrhaft großer Mann, Harod. Er stand in dem glänzenden Ruf, ein gerechter und vertrauenswürdiger Mensch zu sein, und oft war er das auch. Aber er hatte auch eine andere Seite und konnte durchaus sehr rücksichtslos sein, wenn es sein musste.« Der Magus lachte in sich hinein. »Habe ich Ihnen schon einmal die Geschichte erzählt, wie er zwei seiner größten Feinde einlud, um mit ihm zu verhandeln? Er sorgte dafür, dass sie sich bekriegten, bevor der Tag verging, und später vernichteten sie ihre Heere gegenseitig, sodass er sich zum Sieger über beide erklären konnte, ohne einen einzigen Streich getan zu haben. Er wusste natürlich, dass Ardlic eine sehr schöne Frau hatte …«
    Jezal ließ sich zurücksinken. Bayaz hatte ihm die Geschichte tatsächlich schon einmal erzählt, aber es schien sinnlos, ihm das nun zu sagen. Im Grunde genoss er es sogar, sie noch ein zweites Mal zu hören, und es war schließlich auch nicht so, dass er im Augenblick etwas Besseres zu tun hatte. Es lag etwas Beruhigendes in dem gleichförmigen Geschwafel des alten Mannes mit seiner tiefen Stimme, vor allem jetzt, da die Sonne gerade durch die Wolken brach. Sein Mund tat kaum noch weh, wenn er ihn ruhig hielt.
    Und so lag Jezal da, gegen einen Sack mit Stroh gelehnt, den Kopf zur Seite geneigt; er ließ sich von den Bewegungen des Karrens schaukeln und sah zu, wie das Land an ihm vorüberglitt. Sah den Wind im Gras. Sah die Sonne auf dem Wasser.

EIN SCHRITT NACH DEM ANDEREN
    West biss die Zähne zusammen und schleppte sich den gefrorenen Abhang hinauf. Seine Finger waren taub und schwach und zitterten, weil sie ständig in der kalten Erde, an den eisigen Baumwurzeln oder im Schnee nach Halt suchten. Seine Lippen waren gesprungen, seine Nase hörte nicht mehr auf zu laufen, und die Ränder seiner Nasenlöcher waren schrecklich wund. Die Luft biss in seiner Kehle, zerrte an seinen Lungen und fuhr beim Ausatmen in keuchenden Stößen hinaus, die Hustenreiz verursachten. Er fragte sich inzwischen, ob es die schlechteste Entscheidung seines Lebens gewesen war, Ladisla seinen Mantel zu geben. Abgesehen vielleicht davon, diesen selbstsüchtigen Drecksack überhaupt zu retten.
    Selbst damals, als er fünf Stunden am Tag für das Turnier geübt hatte, hätte er sich nicht vorstellen können, jemals so müde zu sein. Neben Dreibaum erschien Lord Marschall Varuz als ein geradezu lächerlich sanftmütiger Zuchtmeister. West wurde jeden Tag vor dem Morgengrauen wachgerüttelt und durfte sich kaum ausruhen, bis schließlich das letzte Licht verblichen war. Die Nordmänner waren Maschinen, sie alle. Männer, die aus Holz geschnitzt waren und daher nie ermüdeten, die keine Schmerzen spürten. Jeder Muskel, den West besaß, tat bei diesem gnadenlosen Tempo weh. Zahllose Stürze und Rutschpartien hatten ihm überall blaue Flecken und Kratzer eingebracht. Seine Füße waren wund und voller Blasen in den nassen Stiefeln. Und dann war da noch das vertraute Pochen in seinem Schädel, das im Rhythmus seines angestrengten Herzschlags klopfte und sich unangenehm mit dem Brennen verband, das die Wunde an seinem Kopf verursachte.
    Die Kälte, die Schmerzen und die Erschöpfung waren schon schlimm genug, aber dazu kam noch das überwältigende Gefühl von Scham und Schuld und Scheitern, das mit jedem Schritt in ihm wuchs. Man hatte ihn an Ladislas Seite geschickt, damit er dafür sorgte, dass nichts passierte. Und es war zu einer Katastrophe beinahe unglaublichen Ausmaßes

Weitere Kostenlose Bücher