Feuerklingen (First Law - Band 2)
zwischen den stechenden Schmerzen. Es tat weniger weh als zuvor, aber er musste noch immer sehr ruhig und vorsichtig sprechen, und die Worte kamen belegt und ungelenk heraus wie bei einem Dorfdeppen.
Bayaz deutete mit dem Kopf auf die große Wasserfläche hinter sich. »Dies ist der erste der drei Seen. Wir sind ein großes Stück auf dem Weg nach Aulcus vorangekommen. Mehr als die Hälfte unserer Reise liegt nun hinter uns, schätze ich.«
Jezal schluckte. Die Hälfte, das klang so gar nicht nach der beruhigenden Information, die er sich gewünscht hätte. »Wie lang war …«
»Ich kann nicht arbeiten, wenn du hier mit deinen Lippen rumzuckst, du Narr«, zischte Ferro. »Soll ich dich einfach so lassen, oder hältst du mal die Klappe?«
Jezal hielt die Klappe. Vorsichtig löste sie den Verband von seinem Gesicht, betrachtete das braune Blut auf dem Tuch, schnupperte daran, rümpfte die Nase und warf den Lappen weg, dann sah sie zornig für einen Augenblick auf seinen Mund. Er schluckte und versuchte in ihrem dunklen Gesicht irgendein Zeichen dafür zu entdecken, was sie dachte. Er hätte seine Zähne dafür gegeben, wenn er sie noch alle gehabt hätte, um nur einen kurzen Moment in einen Spiegel sehen zu können. »Wie schlimm ist es?«, raunte er ihr zu und schmeckte dabei Blut auf seiner Zunge.
Sie verzog verächtlich das Gesicht. »Du verwechselst mich mit jemandem, dem so was wichtig ist.«
Ein Schluchzer entrang sich seiner Kehle. Tränen brannten in seinen Augen, und er musste den Blick abwenden und blinzeln, um nicht loszuheulen. Er war ein bedauernswertes Geschöpf. Und wie. Ein tapferer Sohn der Union, ein kühner Offizier der Königstreuen, ein Gewinner des Turniers, und hier saß er nun und schaffte es kaum, gegen die Tränen anzukämpfen.
»Halt das fest«, fauchte Ferro ihn an.
»Uh«, flüsterte er und versuchte, die Schluchzer zu unterdrücken, die aus seiner Brust emporstiegen, damit ihm nicht die Stimme brach. Er drückte sich ein Ende des frischen Verbands gegen das Gesicht, während sie das Tuch um seinen Kopf und unter sein Kinn schlang, immer wieder um sein Gesicht wickelte und ihm den Mund beinahe zuband.
»Du wirst das schon überleben.«
»Soll das ein Trost sein?«
Sie zuckte die Achseln, als sie sich abwandte. »Es gibt genug, die nicht überleben.«
Jezal beneidete diese Menschen beinahe, als er ihr nachsah, wie sie durchs wogende Gras davonschritt. Wie sehr wünschte er sich Ardee hierher. Er erinnerte sich an das letzte Mal, dass er sie gesehen hatte, wie sie in dem weichen Regen mit diesem schiefen Lächeln zu ihm aufgesehen hatte. Sie hätte ihn nie so zurückgelassen, so hilflos und voller Schmerzen. Sie hätte sanfte Worte gefunden, sein Gesicht berührt und ihn mit seinen dunklen Augen angesehen, ihn zart geküsst und … Sentimentaler Quatsch. Wahrscheinlich hatte sie schon längst einen anderen Idioten gefunden, den sie necken, verwirren und in tiefe Traurigkeit stürzen konnte, und hatte nie einen zweiten Gedanken an ihn verschwendet. Er quälte sich selbst mit der Vorstellung, wie sie über die Witze eines anderen lachte, einem anderen zulächelte, einen anderen auf den Mund küsste. Jetzt würde sie ihn sowieso nicht mehr wollen, da war er sich sicher. Niemand würde ihn mehr wollen. Wieder fühlte er, wie seine Lippen zu beben begannen, und seine Augen brannten.
»Alle großen Helden der alten Zeit, wisst Ihr – die großen Könige, die großen Generäle – sie alle mussten sich irgendwann großen Widerständen stellen.« Jezal sah auf. Fast hatte er vergessen, dass Bayaz da war. »Es ist das Leiden, das einem Mann seine Stärke gibt, mein Junge, genau wie jener Stahl am härtesten wird, der am stärksten gehämmert wurde.«
Der alte Mann zog schmerzerfüllt die Luft ein, als er sich neben Jezal auf den Boden niederließ. »Jeder kann leichten Zeiten und Erfolg mit viel Zuversicht entgegensehen. Es ist vielmehr die Art, wie wir uns Schwierigkeiten und Unglück stellen, die unseren Charakter ausmacht. Selbstmitleid geht mit Selbstsucht einher, und für einen Anführer gibt es keine beklagenswertere Eigenschaft. Selbstsucht ist etwas für Kinder und Dummköpfe. Ein großer Anführer denkt erst an andere, dann an sich. Ihr wärt überrascht, wie viel leichter es einem fällt, sich den eigenen Widrigkeiten zu stellen, wenn man sich so verhält. Um sich königlich zu geben, muss man nur jeden anderen Menschen wie einen König behandeln.« Damit legte er Jezal die
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