Feuerklingen (First Law - Band 2)
»Mir ist das natürlich egal, aber an Ihrer Stelle würde ich doch über eine Kapitulation nachdenken, solange wir noch die Bucht beherrschen.«
Jeder würde mich gern zu einer Kapitulation überreden. Ich selbst
eingeschlossen.
Glokta schnaubte. »Der Geschlossene Rat hält mich an der Kandare, und dort sagt man nein. Die Ehre des Königs lässt das nicht zu, wie man mir mitteilte, und offenbar ist seine Ehre wertvoller als unser Leben.«
Cosca hob die Brauen. »Ehre, ja? Was, zur Hölle, ist das überhaupt? Ehre ist doch für jeden etwas anderes. Man kann sie nicht trinken. Man kann sie nicht ficken. Je mehr man davon hat, desto weniger hilft sie einem, und wenn man gar keine hat, vermisst man sie auch nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Aber es gibt Leute, die halten sie für das Beste auf der Welt.«
»Tja«, machte Glokta und leckte sich über das Zahnfleisch.
Ehre ist weniger wert als die Beine oder die Zähne. Eine Lektion, für die ich teuer bezahlt habe.
Er spähte hinüber zu den schattenhaften Umrissen der Landmauer, die von brennenden Scheiterhaufen unterbrochen wurden. Noch immer war entfernter Kampfeslärm zu hören, und gelegentlich stieg ein brennender Pfeil hoch in die Luft und fiel in den zerstörten Elendsvierteln hinunter.
Selbst jetzt geht das blutige Geschäft weiter seinen Gang.
Er holte tief Luft. »Wie stehen unsere Aussichten, noch eine Woche durchzuhalten?«
»Eine Woche?« Cosca spitzte die Lippen. »Einigermaßen.«
»Zwei Wochen?«
»Zwei?« Cosca schnalzte mit der Zunge. »Schon schlechter.«
»Damit wäre ein Monat ein hoffnungsloses Unterfangen.«
»Hoffnungslos wäre genau das richtige Wort.«
»Sie scheinen diese Lage geradezu zu genießen.«
»Ich? Ich habe mich auf hoffnungslose Unterfangen spezialisiert.« Er sah Glokta grinsend an. »Das sind heutzutage die einzigen, für die man mich noch anheuert.«
Das Gefühl kenne ich.
»Halten Sie die Landmauer, so lange es geht, und dann treten Sie den Rückzug an. Als Nächstes müssen uns die Mauern der Oberstadt als Verteidigung dienen.«
Coscas Grinsen schien in der Dunkelheit beinahe zu leuchten. »So lange halten wie möglich und dann den Rückzug antreten! Ich kann es kaum erwarten!«
»Vielleicht sollten wir noch einige Überraschungen für unsere gurkhisischen Gäste bereithalten, wenn sie die Mauern tatsächlich stürmen. Sie wissen schon«, Glokta machte eine vage Handbewegung, »Stolperdrähte und Fallgruben, mit Exkrementen beschmierte Pfähle und so weiter. Sie haben mit dieser Art der Kriegsführung sicher bereits ein wenig Erfahrung, würde ich vermuten.«
»Ich bin in jeder Art der Kriegsführung erfahren.« Cosca schlug die Hacken zusammen und machte eine ausgefallene Ehrenbezeigung. »Pfähle und Exkremente! Da haben Sie Ihre Ehre.«
Das hier ist Krieg. Die einzige Ehre liegt im Gewinnen.
»Wo wir gerade von Ehre sprechen, seien Sie so gut und teilen Sie unserem Freund General Vissbruck mit, wo diese Überraschungen liegen. Es wäre doch eine Schande, wenn er sich unversehens aufspießte.«
»Natürlich, Herr Superior. Eine echte Schande.«
Glokta fühlte, wie sich seine Hand auf den Zinnen zur Faust ballte. »Wir werden die Gurkhisen für jeden Schritt Boden bezahlen lassen.«
Für mein zerstörtes Bein.
»Für jeden Zoll Erde.«
Für meine fehlenden Zähne.
»Für jede elende Hütte, für jedes verfallende Haus und für jeden wertlosen Fußbreit Staub.«
Für mein tränendes Auge, meinen verdrehten Rücken und meinen ekelhaften Schatten von einem Leben.
Er leckte sich über das leere Zahnfleisch. »Sorgen Sie dafür, dass sie bezahlen.«
»Hervorragend! Nur ein toter Gurkhise ist ein guter Gurkhise!« Der Söldner wirbelte herum und marschierte mit rasselnden Sporen durch die Tür zurück in die Zitadelle und ließ Glokta allein auf dem flachen Dach zurück.
Eine Woche? Ja. Zwei Wochen? Vielleicht. Noch länger? Hoffnungslos. Vielleicht gibt es keine Schiffe, aber dieser in Rätseln
sprechende alte Yulwei hatte recht. Ebenso wie Eider. Es bestand nie die Aussicht, die Stadt zu halten. Trotz all unserer Bemühungen, all unserer Opfer wird Dagoska unweigerlich fallen. Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit.
Er sah hinaus über die langsam in Dunkelheit versinkende Stadt. Es war schwer, in der Schwärze das Land vom Meer zu unterscheiden, die Lichter der Schiffe von den Lichtern der Gebäude, die Fackeln in den Takelungen von den Fackeln in den Elendsvierteln. Es war ein Wirrwarr aus Lichtpunkten,
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