Feuerklingen (First Law - Band 2)
warf das schwarze Brandeisen wieder in das Kohlebecken zurück und ließ ein paar Funken aufwirbeln. »Wir haben es mit Klingen versucht, mit Hämmern, mit Wasser, mit Feuer. Sie sagt kein Wort. Das verdammte Luder ist offenbar aus Stein.«
»Weicher als Stein«, zischte Severard, »aber sie ist überhaupt nicht wie wir.« Er nahm ein Messer vom Tisch, und die Klinge glänzte in der Dunkelheit kurz orangefarben auf, dann beugte er sich vor und zog einen langen Schnitt in Schickels Unterarm. Kaum ein Zucken ging dabei über ihr Gesicht. Die Wunde klaffte auf und schimmerte zornig rot. Severard bohrte seine Finger hinein und drückte sie auseinander. Schickel ließ keinerlei Anzeichen von Schmerz erkennen. Er zog die Finger wieder hervor und hielt sie doch, dann rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander. »Nicht mal feucht. Es ist, als ob man in eine Leiche schneidet, die schon eine Woche alt ist.«
Glokta fühlte sein Bein zittern, und er verzog schmerzerfüllt das Gesicht und sank auf den freien Stuhl. »Das ist offenkundig nicht mehr normal.«
»Reime Umperpreibum«, grunzte Frost.
»Aber sie heilt nicht mehr so gut wie am Anfang.« Keiner der Schnitte in ihrer Haut machte Anstalten, sich wieder zu schließen.
Sie klaffen auf, tot und trocken wie Fleisch in einer Metzgerei.
Und auch die Brandwunden verblassten nicht.
Verkohlte schwarze Streifen auf ihrer Haut, wie frisches Fleisch vom Grill.
»Sitzt bloß da und guckt«, sagt Severard, »ohne ein Wort.«
Glokta runzelte die Stirn.
War es denn wirklich das, was mir vorschwebte, als ich zur Inquisition ging? Kleine Mädchen zu foltern?
Er wischte sich die Feuchtigkeit unter den Augen ab.
Andererseits ist das hier sowohl mehr als auch weniger als ein Mädchen.
Er erinnerte sich an die Hände, die ihn gepackt hatten, während die drei Praktikalen versucht hatten, sie zu bändigen.
Sehr viel mehr und gleichzeitig auch sehr viel weniger als ein Mensch. Wir dürfen bei ihr nicht dieselben Fehler machen wie beim Ersten der Magi.
»Wir müssen mit offenem Verstand an die Sache herangehen«, murmelte er.
»Weißt du, was mein Vater dazu sagen würde?« Die Stimme erscholl tief und rau, wie die eines alten Mannes, und es erschien seltsam falsch, dass sie aus diesem jungen, glatten Gesicht kam.
Gloktas linkes Auge zuckte, und unter seinem Mantel rann der Schweiß über seine Haut. »Dein Vater?«
Schickel lächelte ihn an, und ihre Augen glänzten in der Dunkelheit. Fast schien es, als ob die Schnitte in ihrem Fleisch ebenfalls lachten. »Mein Vater. Der Prophet. Der große Khalul. Er würde sagen, ein offener Verstand ist wie eine offene Wunde. Empfänglich für Gift. Wird sich leicht entzünden. Könnte seinem Besitzer sehr viele Schmerzen bereiten.«
»Willst du nun endlich reden?«
»Jetzt will ich.«
»Wieso?«
»Wieso nicht? Jetzt weißt du, dass ich es so gewählt habe, nicht du. Stell deine Fragen, Krüppel. Du solltest alle Möglichkeiten nutzen, um zu lernen. Gott weiß, wozu es noch einmal nutze sein wird. Ein Mann, der sich in der Wüste …«
»Den kenne ich schon.« Glokta hielt inne.
So viele Fragen, aber was fragt man so etwas wie sie?
»Du bist eine Verzehrerin?«
»Wir haben andere Namen für uns, aber – ja.« Sie neigte sanft den Kopf, wobei sich ihre Augen keinen Moment von den seinen lösten. »Die Priester zwangen mich zuerst dazu, meine Mutter zu verzehren. Als sie mich entdeckten. Ich musste es tun oder sterben, und mein Drang zu leben war so groß, zuvor. Anschließend weinte ich, aber das ist lange her, und jetzt sind keine Tränen mehr in mir. Ich empfinde natürlich Ekel vor mir selbst. Manchmal muss ich töten, manchmal wünsche ich, ich würde sterben. Ich verdiene es. Daran habe ich keinen Zweifel. Das ist das Einzige, dessen ich sicher bin.«
Ich hätte von vornherein keine schlichte Antwort erwarten sollen. Da sehnt man sich ja beinahe die Tuchhändler zurück. Deren Verbrechen konnte ich wenigstens begreifen. Aber immerhin, Antworten, egal welche, sind besser als nichts.
»Wieso verzehrst du andere?«
»Weil der Vogel den Wurm frisst. Die Spinne die Fliege. Weil Khalul es wünscht und wir die Kinder des Propheten sind. Juvens wurde verraten, und Khalul schwor ihn zu rächen, aber er stand allein vielen Feinden gegenüber. Daher brachte er sein großes Opfer und brach das Zweite Gebot, und die Rechtschaffenen kamen willig zu ihm. Einige auch nicht. Aber keiner hat ihn geleugnet. Meiner Geschwister sind viele, jetzt, und wir
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