Feuerklingen (First Law - Band 2)
Aos, in diesem engen Bett gefangen, schäumte mit endloser, sinnloser Wut, kaute an dem polierten Gestein und spuckte zornige Gischt in die Luft. Ferro konnte sich nicht vorstellen, wie irgendetwas über diesem wilden Fluss Bestand haben konnte, aber Bayaz hatte recht gehabt.
Die Brücke des Schöpfers stand noch.
»Auf all meinen Reisen, in allen Städten und bei allen Völkern unter der segensreichen Sonne habe ich noch nie ein solches Wunder erblickt.« Langfuß schüttelte gemächlich den rasierten Kopf. »Wie kann eine Brücke aus Metall geschaffen sein?«
Aber es war Metall. Dunkel, glatt, glanzlos, schimmernd durch die Wassertropfen. Es erhob sich in einem einzigen Bogen über dem schwindelnden Abgrund, unvorstellbar zart, gestützt von einem Spinnengewebe dünner Stangen in der hohlen Luft darunter. Eine breite Straße genuteter Metallplatten erstreckte sich völlig eben darüber und lud sie zur Überquerung ein. Jede Kante war gerade, jede Kurve präzise, jede Oberfläche glatt. Inmitten des langsamen Verfalls war die Brücke makellos erhalten. »Als ob man sie erst gestern fertig gestellt hätte«, murmelte Quai.
»Und dennoch ist sie vielleicht das Älteste hier in der ganzen Stadt.« Bayaz nickte zu den Ruinen hinter ihnen. »All die großen Taten des Juvens vergehen. Zerstört, verfallen, vergessen, es ist beinahe, als habe es sie nie gegeben. Aber die Werke des Meisterschöpfers stehen unbeschädigt da. Sie leuchten sogar noch heller, wenn überhaupt, denn sie leuchten in einer verdunkelten Welt.« Er schnaubte, und Nebel stob aus seinen Nasenlöchern. »Wer weiß? Vielleicht werden sie heil und unversehrt dastehen bis ans Ende aller Zeiten, lange, nachdem wir schon in unseren Gräbern vermodern.«
Luthar schielte nervös auf das tosende Wasser und fragte sich zweifelsohne, ob sein Grab vielleicht dort unten lag. »Seid Ihr sicher, dass sie uns trägt?«
»In der Alten Zeit trug sie jeden Tag Tausende von Menschen. Zehntausende. Pferde und Wagen und Bürger und Sklaven in endloser Folge, in beide Richtungen, Tag und Nacht. Sie wird uns tragen.«
Ferro sah zu, als die Hufe von Bayaz’ Pferd auf das Metall schlugen.
»Dieser Schöpfer war ganz offensichtlich ein Mann mit … bemerkenswerten Talenten«, brummte der Wegkundige, der sein Reittier nun in dieselbe Richtung lenkte.
Quai schnalzte mit den Zügeln. »Das war er tatsächlich. Und das alles ist der Welt heute verloren.«
Neunfinger folgte als Nächster, dann der zögernde Luthar. Ferro blieb, wo sie war, saß im trommelnden Regen, bedachte die Brücke, den Karren, die vier Reiter und ihre Pferde mit finsterem Blick. Ihr gefiel das alles nicht. Der Fluss, die Brücke, die Stadt, nichts davon. Mit jedem Schritt hatte es sich mehr und mehr wie eine Falle angefühlt, und jetzt war sie sich sicher. Sie hätte nie auf Yulwei hören sollen. Niemals hätte sie den Süden verlassen dürfen. Hier hatte sie nichts verloren, in dieser eiskalten, nassen, verlassenen Ödnis mit dieser Horde gottloser Rosigs.
»Ich gehe nicht hinüber«, sagte sie.
Bayaz wandte sich um und sah sie an. »Möchtest du dann vielleicht lieber fliegen? Oder einfach nur auf dieser Seite bleiben?«
Sie lehnte sich zurück und kreuzte die Hände über dem Sattelknauf. »Vielleicht ja.«
»Es wäre vermutlich besser, solche Dinge zu besprechen, wenn wir es durch die Stadt geschafft haben«, murmelte Bruder Langfuß und warf einen nervösen Blick auf die leeren Straßen.
»Er hat recht«, sagte Luthar. »Dieser Ort hier hat eine üble Ausstrahlung …«
»Scheiß auf die Ausstrahlung«, knurrte Ferro, »und scheiß auf euch alle. Wieso sollte ich hinübergehen? Was gibt es denn für mich auf der anderen Seite des Flusses? Du hast mir Rache versprochen, alter Rosig, und mir nichts als Lügen gegeben, Lügen und Regen und schlechtes Essen. Wieso sollte ich auch nur einen weiteren Schritt mit dir tun? Erklär mir das mal!«
Bayaz runzelte die Stirn. »Mein Bruder Yulwei hat dir in der Wüste geholfen. Du wärst getötet worden, wenn er nicht gewesen wäre. Du hast ihm dein Wort gegeben …«
»Mein Wort? Ha! Ein Wort ist eine Kette, die leicht bricht, alter Mann.« Und damit riss sie ihre Hände vor sich auseinander. »Da. Ich bin frei davon. Ich habe nicht versprochen, eine Sklavin aus mir machen zu lassen!«
Der Magus stieß einen sehr langen Seufzer aus und sackte müde im Sattel zusammen. »Als ob das Leben ohne dein Verhalten nicht schon schwierig genug wäre. Woran
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