Feuerklingen (First Law - Band 2)
liegt es nur, Ferro, dass du die Dinge immer lieber schwieriger als leichter machst?«
»Vielleicht hatte Gott etwas Besonderes dabei im Sinn, als er mich so schuf, aber ich weiß es nicht. Was ist der Samen?«
Direkt zum Kern der Sache. Das Auge des alten Rosigs schien zu zucken, als sie das Wort aussprach. »Samen?«, wiederholte Luthar verblüfft.
Bayaz sah grimmig auf die überraschten Gesichter der anderen. »Es wäre vielleicht besser, wenn du es gar nicht weißt.«
»Das genügt mir nicht. Wenn du mal wieder für eine Woche einschläfst, will ich wissen, was wir machen und wieso.«
»Jetzt habe ich mich gut erholt«, fauchte Bayaz, und Ferro wusste, dass er log. Alles an ihm schien geschrumpft, älter und schwächer als zuvor. Er mochte wach sein, aber erholt hatte er sich nicht. Er würde mehr als durchsichtige Beteuerungen aufbieten müssen, um sie zu narren. »Es wird nicht wieder vorkommen, darauf kannst du dich verlassen …«
»Ich werde dich ein weiteres Mal fragen und hoffe auf eine einfache Antwort. Was ist der Samen?«
Bayaz sah sie lange an, und sie erwiderte seinen Blick. »Nun gut. Wir werden im Regen dasitzen und über die Grundsätze der Welt streiten.« Damit lenkte er sein Pferd wieder herunter von der Brücke, aber nur etwa einen Schritt weit. »Der Samen ist der Name für das Ding, das Glustrod aus den Tiefen der Erde grub. Es ist jenes Ding, mit dem er all das hier tat.«
»Das hier?«, fragte Neunfinger.
»All das hier.« Und der Erste der Magi deutete mit einer weit ausholenden Armbewegung auf die Zerstörung um sie herum. »Der Samen legte die größte Stadt der Welt in Trümmer und verwüstete das Land der Umgebung bis in alle Ewigkeit.«
»Es ist dann also eine Waffe?«, fragte Ferro leise.
»Es ist ein Stein«, sagte Quai plötzlich, der zusammengesunken auf dem Kutschbock saß und niemanden von ihnen ins Gesicht sah. »Ein Stein aus der Unterwelt. Zurückgelassen und vergraben, als Euz die Teufel aus unserer Welt vertrieb. Es ist die fleischgewordene Andere Seite. Magie der reinsten Form.«
»So ist es«, flüsterte Bayaz. »Meinen Glückwunsch, Meister Quai. Zumindest ein Thema, bei dem Ihr Euch nicht völlig unwissend zeigt. Nun? Reicht dir das als Antwort, Ferro?«
»Ein Stein hat all das hier verursacht?« Neunfinger sah nicht besonders glücklich aus. »Was, zur Hölle, wollen wir dann damit?«
»Ich denke, einige von uns können das erraten.« Bayaz sah Ferro an, blickte ihr direkt in die Augen und lächelte elend, als ob er genau wüsste, was sie dachte. Vielleicht tat er das auch.
Es war kein Geheimnis.
Geschichten von Teufeln, vom Graben und von alten nassen Ruinen, all das war Ferro egal. Sie stellte sich stattdessen vor, wie das Imperium von Gurkhul in totes Land verwandelt wurde. Wie sein Volk vernichtet wurde. Sein Imperator vergessen. Die Städte zu Staub zerfallen. Seine Macht nur noch eine verblasste Erinnerung. In ihrem Kopf tobten Gedanken von Tod und Rache. Dann lächelte sie.
»Gut«, sagte sie. »Aber wieso brauchst du mich?«
»Wer sagt, dass ich dich so sehr brauche?«
Sie schnaubte. »Ich bezweifle, dass du mich so lange ertragen hättest, wenn du mich nicht dringend brauchtest.«
»Das ist wohl wahr.«
»Also, wieso?«
»Weil man den Samen nicht berühren kann. Schon allein der Anblick schmerzt. Wir kamen in die zerstörte Stadt, als die Armee des Kaisers nach Glustrods Sturz nach Überlebenden suchte. Wir fanden keine. Nur Schrecken, Ruinen und Leichen. Zu viele, um sie zu zählen. Tausende und Abertausende bestatteten wir, in Gruben für jeweils einhundert, in der ganzen Stadt. Es war eine lange Arbeit, und während wir sie taten, fand eine Kompanie Soldaten etwas Seltsames in den Ruinen. Ihr Hauptmann wickelte es in seinen Mantel und brachte es zu Juvens. Als der Abend heraufzog, war er verdorrt und gestorben, und seine Kompanie kam ebenfalls nicht davon. Ihnen fielen die Haare aus, ihre Körper schrumpften. Binnen einer Woche waren alle hundert Mann tot. Aber Juvens selbst war unverletzt.« Er nickte zum Karren. »Deswegen fertigte Kanedias die Kiste, und deswegen haben wir sie jetzt dabei. Um uns zu schützen. Niemand von uns ist sicher. Außer dir.«
»Wieso ich?«
»Hast du dich nie gefragt, wieso du anders bist als die anderen? Wieso du keine Farben siehst? Wieso du keine Schmerzen fühlst? Du bist, wie Juvens war, und wie Kanedias. Du bist, wie Glustrod war. Du bist, wie Euz selbst war, wenn man es genau
Weitere Kostenlose Bücher