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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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weite Platz vor ihnen war ringsum von riesenhaften Gebäuden umsäumt. Die Geister hoher Säulen und steiler Dächer, hoch aufragender Pfeiler und zum Himmel emporwachsender Mauern, allesamt für Riesen gemacht, sahen aus den Regenschleiern auf sie hinunter. Logen blieb der Mund offen stehen. So ging es ihnen allen. Eine winzige, zusammengedrängte Gruppe auf diesem übergroßen Platz, wie verängstigte Schafe in einem kahlen Tal, die auf die Wölfe warten.
    Regen pfiff um die Mauern hoch über ihren Köpfen, herabrauschendes Wasser schlug auf das glitschige Kopfsteinpflaster und gurgelte durch die Risse in der Straße. Der Hufschlag klang gedämpft. Die Räder des Karrens quietschten und knarrten leise. Ein anderes Geräusch gab es nicht. Kein geschäftiges Treiben, keine lärmende Menge, kein Geschnatter. Keine Vogelrufe, kein Hundebellen, keine Rufe von Händlern und Kaufleuten. Nichts lebte hier. Nichts bewegte sich. Es gab nur die großen schwarzen Gebäude, die sich bis weit hinaus in den Regen erstreckten, und die zerfetzten Wolken, die über den dunklen Himmel krochen.
    Sie ritten langsam an den Ruinen eines zerstörten Tempels vorüber, ein wirres Durcheinander aus herabhängenden steinernen Blöcken und Platten. Bruchstücke der monströsen Säulen waren seitlich auf das geborstene Pflaster gefallen, während Teile der Dächer weit aufklaffend noch dort lagen, wohin sie einst herabgestürzt waren. Luthars nasses Gesicht war kalkweiß, abgesehen von dem rosigen Fleck an seinem Kinn, während er die hoch aufragenden Trümmer zu beiden Seiten betrachtete. »Heilige Scheiße«, murmelte er.
    »Aber wirklich«, raunte Langfuß leise, »ein höchst beeindruckender Anblick.«
    »Die Paläste der reichen Toten«, erklärte Bayaz. »Die Tempel, wo sie zu ihren Göttern beteten. Die Märkte, wo sie Güter, Tiere und Menschen kauften und verkauften. Wo sie sich gegenseitig kauften und verkauften. Die Theater, die Bäder und die Bordelle, wo sie sich ihren Leidenschaften hingaben, bevor Glustrod kam.« Er deutete über den Platz, hinüber zu einem Tal aus tropfenden Steinen. »Dies ist der Kalinsweg. Die größte Straße der Stadt, an der auch die Häuser der größten Bürger lagen. Sie verläuft mehr oder weniger gerade vom Nordtor bis zum Südtor. Jetzt passt alle einmal auf«, sagte er und wandte sich in seinem knarrenden Sattel um. »Drei Meilen südlich der Stadt ist ein hoher Berg, auf dessen Gipfel ein Tempel liegt. In der Alten Zeit nannte man ihn den Saturlinsfels. Falls wir getrennt werden sollten, dann werden wir uns dort wieder treffen.«
    »Wieso sollten wir getrennt werden?«, fragte Luthar mit geweiteten Augen.
    »Die Erde in dieser Stadt … sie schläft nicht ruhig, sie bebt des Öfteren. Die Gebäude sind uralt und baufällig. Ich hoffe zwar, dass wir die Stadt ohne Zwischenfälle durchqueren können, aber … es wäre voreilig, sich auf die Hoffnung allein zu verlassen. Wenn etwas passieren sollte, dann schlagt Euch nach Süden durch. Zum Saturlinsfels. Bis dahin bleibt alle möglichst dicht beisammen.«
    Dazu bedurfte es keiner weiteren Aufforderung. Logen sah zu Ferro hinüber, als sie sich auf den Weg durch die Stadt machten, wie sie mit ihrem stachligen schwarzen Haar und dem dunklen, von der Nässe feuchten Gesicht die Gebäude an beiden Seiten misstrauisch musterte. »Wenn etwas passieren sollte«, flüsterte er ihr zu, »steh mir bei, ja?«
    Sie sah ihn einen Augenblick an, dann nickte sie. »Wenn ich kann, Rosig.«
    »Das reicht mir.«
     
    Schlimmer als eine Stadt voller Menschen ist nur eine völlig leere Stadt.
    Ferro hielt beim Reiten den Bogen in der einen, die Zügel in der anderen Hand, sah immer wieder von einer Seite zur anderen, spähte in die kleinen Gassen, in die gähnenden Fenster und Türöffnungen, reckte den Hals, um möglichst weit um die zerfallenden Gebäude an Straßenecken und über angrenzende Mauern sehen zu können. Sie wusste nicht, wonach sie suchte.
    Aber sie wollte bereit sein.
    Sie alle fühlten es genauso wie sie, das war offensichtlich. Sie sah, wie sich die Muskeln von Neunfingers Kiefer spannten und dann wieder lockerten, wieder und wieder, während er mit finsterer Miene die Ruinen musterte und die Hand stets nahe am Heft seines Schwertes hielt, kaltes Metall, auf dem die Feuchtigkeit wie Perlen glänzte.
    Luthar zuckte bei jedem Geräusch zusammen, wenn etwa ein Stein unter den Rädern des Karrens wegsprang, Wasser in eine Pfütze plätscherte oder eines

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