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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Riesen nach dem anderen, die Gesichter von den Jahren ausgewaschen, bis sie einander in ihrer Konturlosigkeit völlig glichen. Wasser tröpfelte über glatten Marmor, tropfte von langen Bärten, von Waffenröcken, von drohend oder segnend ausgestreckten Armen, die lange schon am Handgelenk, am Ellenbogen oder an der Schulter abgebrochen waren. Manche waren mit Bronze verziert: riesige Helme, Schwerter, Szepter, Ehrenkränze, die inzwischen mit Grün überzogen waren und dreckige Schlieren auf dem schimmernden Stein hinterließen. Sie schwammen ihnen entgegen, und ein Paar regloser Riesen nach dem anderen verschwand im Regen hinter ihnen und wurde wieder den Nebeln der Geschichte überantwortet. »Kaiser«, sagte Bayaz. »Hunderte von Jahren von Kaisern.« Jezal sah die Regenten der alten Zeit bedrohlich an sich vorüberziehen, wie sie über der holprigen Straße dräuten, und er hatte einen steifen Hals vom langen Hochschauen, bei dem ihm der Regen ins Gesicht klatschte. Die Skulpturen waren doppelt so hoch oder noch höher als die im Agriont, aber sie waren doch so ähnlich, dass ihn eine plötzliche Welle von Heimweh überkam.
    »Wie auf dem Weg der Könige in Adua.«
    »Ha«, brummte Bayaz. »Was meint Ihr wohl, woher ich die Idee dazu hatte?«
    Jezal kaute noch an dieser seltsamen Entgegnung, als ihm auffiel, dass es sich bei den Statuen, denen sie sich jetzt näherten, um das letzte Paar handelte; die eine der beiden neigte sich bereits in einem besorgniserregenden Winkel.
    »Haltet den Wagen an!«, rief Bayaz, hob eine feuchte Handfläche und trieb sein Pferd voran.
    Es war nicht nur so, dass keine Kaiserstatuen mehr vor ihnen standen, es gab auch überhaupt keine Straße mehr. Ein schwindelerregender Abhang gähnte vor ihren Füßen, eine mächtige Spalte, die sich quer durch die Stadt zog. Jezal sah angestrengt zur anderen Seite hinüber, wo eine steile Klippe aus geborstenem Stein und heruntergerutschtem Geröll auf sie wartete. Dahinter waren die blassen Schatten von Mauern und Säulen zu erahnen, die Umrisse der breiten Straße, die im Ungewissen verschwand, während der Regen durch die leere Luft vor ihnen pfiff.
    Langfuß räusperte sich. »Ich nehme an, dass wir diesen Weg nicht weiter verfolgen werden.«
    Vorsichtig, äußerst vorsichtig lehnte sich Jezal in seinem Sattel nach vorn und sah nach unten. In großer Tiefe floss dunkles Wasser, schäumend und tobend, überspülte den gepeinigten Boden am Fundament der Stadt, und aus diesem unterirdischen Meer ragten verfallene Mauern, eingestürzte Türme und die aufgebrochenen Grundmauern monströser Gebäude. Auf der Spitze einer schwankenden Säule stand noch immer eine Statue, wohl die eines längst schon toten Helden. Einst hatte er offenbar die Hand im Triumph erhoben. Jetzt ragte sie wie aus Verzweiflung empor, als ob er darum flehte, aus dieser wasserumtosten Hölle heraufgezogen zu werden.
    Jezal lehnte sich, plötzlich von Schwindel erfasst, wieder zurück. »Wir werden diesen Weg nicht weiter verfolgen«, konnte er gerade noch hervorbringen.
    Bayaz sah finster auf das mahlende Wasser herab. »Dann müssen wir einen anderen finden, und das schnell. In dieser Stadt gibt es zahllose Spalten wie diese. Wir haben selbst auf geradem Weg noch Meilen vor uns und müssen auch noch eine Brücke überqueren.«
    Langfuß runzelte die Stirn. »Wenn sie überhaupt noch steht.«
    »Die steht noch! Kanedias hat sie für die Ewigkeit gebaut.« Der Erste der Magi sah in den Regen hinaus. Der Himmel verdüsterte sich weiter und hing schwer über ihren Köpfen. »Wir können es uns nicht leisten, hier herumzutrödeln. Wir schaffen es jetzt schon nicht mehr durch die Stadt, bevor die Dunkelheit hereinbricht.«
    Jezal sah den Magus entsetzt an. »Wir werden hier die Nacht verbringen?«
    »Natürlich«, gab Bayaz kurz angebunden zurück und lenkte sein Pferd von der Bruchkante weg.
    Die Ruinen zogen sich enger um sie zusammen, als sie den Kalinsweg verließen und wieder ins Dickicht der Stadt eintauchten. Jezal sah mit offenem Mund in die bedrohlichen Schatten, die im Dunkel lauerten. Er konnte sich nur eines vorstellen, das schlimmer war, als hier bei Tag gefangen zu sein, und das war, hier in der Dunkelheit festzusitzen. Lieber hätte er die Nacht in der Hölle verbracht. Aber wäre das wirklich ein Unterschied gewesen?
     
    Der Fluss gurgelte unter ihnen durch eine künstlich geschaffene Schlucht mit hohen Befestigungsmauern aus glattem, nassem Stein. Der mächtige

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