Feuerklingen (First Law - Band 2)
Eure Anwesenheit in meiner Stadt bereitet mir Sorgen. Die politische Lage im Kaiserreich ist … instabil.« Erneut hob er den Kelch. »Noch mehr als gewöhnlich.« Wieder nahm er einen Mundvoll Wein, kostete ihn gemächlich aus, bis er schließlich schluckte. »Das Letzte, was ich brauche, ist jemand, der … das Gleichgewicht durcheinanderbringt.«
»Noch instabiler als gewöhnlich?«, fragte Bayaz. »Ich dachte, Sabarbus habe die Lage nun endlich wieder beruhigt.«
»Für eine Weile hielt er alles unter seiner Knute.« Der Legat zupfte sich einige dunkle Trauben von einer Rebe und lehnte sich wieder gegen seine Kissen, bevor er sie sich eine nach der anderen in den Mund schob. »Aber Sabarbus … ist tot. Gift, heißt es. Seine Söhne, Scario … und Goltus … stritten um sein Erbe … dann bekriegten sie einander. Ein ausgesprochen blutiger Krieg, selbst in diesem ausgebluteten Land.« Damit spuckte er die Kerne auf die Tischplatte. »Goltus hielt die Stadt Darmium, die inmitten der großen Ebene liegt. Scario nahm den erfolgreichsten General seines Vaters, Cabrian, in seine Dienste, und ließ die Stadt belagern. Vor nicht allzu langer Zeit, nach fünf Monaten der Belagerung und ohne Nahrungsmittel und Hoffnung auf Hilfe … ergab sich Darmium.« Narba biss in eine reife Pflaume; der Saft rann ihm über das Kinn.
»Scario steht also kurz vor dem Sieg.«
»Tja.« Der Legat wischte sich mit der Spitze des kleinen Fingers über die Saftspur und warf die angebissene Frucht achtlos auf den Tisch. »Cabrian hatte Darmium kaum eingenommen, ihre Schätze geplündert und sie dem brutalen Wüten seiner Truppen überlassen, als er sich auch schon im altehrwürdigen Palast einrichtete und sich selbst zum Kaiser ernannte.«
»Ah. Ihr scheint davon nicht sehr berührt.«
»Ich weine innerlich, aber ich habe all das bereits erlebt. Scario, Goltus und nun Cabrian. Drei selbst ernannte Kaiser, in tödlichem Kampf verstrickt, während ihre Soldaten plündernd durch das Land ziehen, und die wenigen Städte, die sich ihre Unabhängigkeit bewahren konnten, sehen entsetzt zu und versuchen, diesen Albtraum halbwegs unbeschadet zu überstehen.«
Bayaz runzelte die Stirn. »Ich beabsichtige, nach Westen zu reisen. Ich muss den Aos überqueren, und in Darmium befindet sich die nächstgelegene Brücke.«
Der Legat schüttelte den Kopf. »Man sagt, dass Cabrian, der stets als sehr exzentrisch galt, nun völlig den Verstand verloren hat. Dass er seine Frau ermordet und seine drei Töchter geheiratet hat. Die Stadttore wurden versiegelt, und nun lässt er die Stadt nach Hexen, Teufeln und Verrätern durchsuchen. Täglich baumeln neue Leichen an den öffentlichen Galgen, die er an allen Straßenecken hat aufstellen lassen. Niemand darf die Stadt betreten oder verlassen. Das sind die Nachrichten aus Darmium.«
Jezal war mehr als nur ein bisschen erleichtert, als er Bayaz sagen hörte: »Dann müssen wir es mit Aostum probieren.«
»Bei Aostum wird niemand mehr den Fluss überqueren. Scario floh vor den rachelüsternen Truppen seines Bruders über die Brücke und ließ sie hinter sich von seinen Truppen einreißen.«
»Er hat sie zerstört?«
»Ja. Ein Wunder aus der Alten Zeit, das zweitausend Jahre lang gestanden hat. Nichts ist übrig geblieben. Und für Euch verschlimmert sich die Lage noch, da es dort oben heftige Regenfälle gegeben hat und der große Fluss mit starker Strömung und hohem Wasserstand dahinfließt. Die Furten sind unpassierbar. In diesem Jahr werdet Ihr den Aos nicht mehr überqueren, fürchte ich.«
»Ich muss.«
»Es wird Euch aber nicht gelingen. Wenn ich Euch einen Rat geben kann – ich würde das Kaiserreich seinem Elend überlassen und dorthin zurückkehren, woher Ihr kamt. Hier in Calcis haben wir immer versucht, den Kopf einigermaßen über Wasser zu halten, uns auf keine Seite zu schlagen und den Katastrophen auszuweichen, die den Rest des Landes heimgesucht haben. Hier halten wir immer noch an den althergebrachten Traditionen unserer Vorväter fest.« Er deutete auf sich selbst. »Die Stadt wird nach wie vor von einem kaiserlichen Legaten regiert, wie es auch in der Alten Zeit schon war, und nicht von einem Räuberhauptmann oder Häuptling oder falschem Kaiser.« Mit schlaffer Geste wies er auf die üppig ausgestattete Halle, in der sie sich befanden. »Hier ist es uns auch in schweren Zeiten gelungen, ein wenig vom Ruhm und der Größe vergangener Tage zu bewahren, und das will ich nicht aufs
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