Feuerklingen (First Law - Band 2)
liebsten aufgeschrieen hätte, aber sich doch beherrscht hatte. Ein Mann bleibt ruhig.
Wenn es ihm denn gelingt.
Logen erinnerte sich auch daran, wie er auf dem Bauch in einem stinkenden Zelt gelegen hatte und der kalte Regen auf die Leinwand geprasselt war, und wie er auf ein Stück Leder gebissen hatte, um nicht laut zu schreien. Bis er das Leder ausgespuckt und doch losgebrüllt hatte, während man in seinem Rücken nach einer Pfeilspitze grub, die nicht mit herausgekommen war, als man den Schaft entfernt hatte. Es hatte fast einen Tag gedauert, bis das verdammte Ding endlich gefunden wurde. Logen bewegte unbehaglich seine Schultern, als er daran dachte. Er hatte damals eine Woche lang nicht sprechen können, so sehr hatte er gebrüllt.
Nach dem Duell mit Dreibaum hatte er mehr als eine Woche lang nicht sprechen können. Auch nicht gehen, essen und kaum sehen. Sein Kiefer war gebrochen gewesen, seine Wangenknochen und so viele Rippen, dass man sie kaum zählen konnte. All seine Knochen waren so zerschlagen gewesen, dass er nur noch aus Schmerz bestanden hatte, ein heulendes, selbstmitleidiges Häufchen Elend, das bei jeder Erschütterung der Tragbahre wie ein Kleinkind gejammert hatte und schließlich dankbar dafür gewesen war, von einer alten Frau löffelweise mit Brei gefüttert zu werden.
Es gab viele weitere Erinnerungen, die nun alle an ihn herandrängten und ihn schmerzten. Wie der Fingerstumpf nach der Schlacht von Carleon gebrannt und gebrannt hatte, dass er fast verrückt geworden wäre. Wie er plötzlich nach einem Tag Bewusstlosigkeit wieder erwacht war, als er oben in den Bergen eins über den Schädel bekommen hatte. Wie seine Pisse rot gewesen war, nachdem ihm der Speer von Harding Grimm den Bauch durchbohrt hatte. Logen fühlte sie alle auf seiner Flickenhaut, alle Narben, und er legte schützend die Arme um seinen schmerzenden Körper.
Ja, er hatte schon früher viele Wunden erhalten, das stimmte, aber deswegen taten die jetzigen nicht weniger weh. Der Schnitt an der Schulter machte ihm zu schaffen, er brannte wie glühende Kohle. Er hatte miterlebt, wie ein Mann den ganzen Arm verloren hatte, nur wegen einer kleinen Schramme, die er sich in der Schlacht zugezogen hatte. Erst hatten sie ihm die Hand abgenommen, dann den Unterarm bis zum Ellenbogen, danach den Rest bis hoch zur Schulter. Anschließend war er müde geworden, hatte angefangen, krauses Zeug zu reden, und dann hatte er aufgehört zu atmen. Logen wollte nicht auf eine solche Weise wieder zu Schlamm werden.
Er stolperte zu einem abbröckelnden Mauerrest hinüber und lehnte sich dagegen, zog unter Schmerzen seinen Mantel aus, machte sich mit einer Hand ungeschickt an den Knöpfen seines Hemds zu schaffen, zog die Nadel aus dem Verband und wickelte ihn vorsichtig ab.
»Wie sieht es aus?«, fragte er.
»Wie die Mutter aller Narben«, brummte Langfuß, der Logens Schulter in Augenschein nahm.
»Riecht es so, als ob alles in Ordnung wäre?«
»Ich soll an Euch riechen?«
»Sagt mir nur, ob die Wunde stinkt.«
Der Wegkundige beugte sich vor und schnupperte aufmerksam an Logens Schulter. »Ein deutlich erkennbarer Schweißgeruch, aber der könnte aus Eurer Achselhöhle aufsteigen. Ich fürchte, dass die Medizin nicht zu meinen bemerkenswerten Talenten gehört. Für mich riecht eine Wunde wie die andere.« Damit schob er die Nadel wieder durch den Verband.
Logen zog sich mühsam wieder das Hemd an. »Ihr würdet es merken, wenn sie faulen würde, das könnt Ihr mir glauben. Das riecht wie ein altes Grab, und wenn der Wundbrand sich hineingefressen hat, dann kann man ihm nur noch mit einer Klinge beikommen. Eine üble Art für den Abgang.« Er erschauerte und drückte sanft mit der Handfläche auf seine pochende Schulter.
»Nun, ja«, sagte Langfuß, der sich schon wieder zum Gehen wandte und die fast verlassene Straße entlangschritt. »Zu Eurem Glück haben wir diese Maljinn bei uns. Wenn es um eine gute Unterhaltung geht, dann sind ihre Fähigkeiten zwar sehr beschränkt, aber bei der Wundversorgung – also, ich habe ihr ja zusehen dürfen, und ich muss Euch sagen, sie näht Haut mit so ruhiger Hand zusammen wie ein Schustermeister sein Leder. Aber wirklich! Sie führt die Nadel so flink und fein wie die Hofschneiderin einer Königin. Ein sehr nützliches Talent, das in diesem Teil der Welt äußerst gefragt sein könnte. Ich wäre nicht sehr überrascht, wenn uns diese Fähigkeit noch einmal zunutze sein könnte, bevor wir hier
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