Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
ihre Menschen. Aber jetzt wirkte er wie die leere Hülle eines Mannes, der unter der schweren Bürde seines Amtes zusammengebrochen war und innerlich so kalt und leer war wie sein gähnender Kamin.
    Und wenn es ohnehin schon kalt war, so war die Atmosphäre sogar noch eisiger. Lord Marschall Burr stand in der Mitte des Saales, die Beine leicht gespreizt, die großen Hände fassten mit weißen Knöcheln hinter dem Rücken ineinander. Major West stand mit gesenktem Kopf schräg hinter ihm, kerzengerade aufgerichtet, und wünschte sich, seinen Mantel nicht abgegeben zu haben. Es war hier drinnen kälter als draußen, falls das möglich war. Das Wetter war äußerst unfreundlich für die herbstliche Jahreszeit.
    »Einen Schluck Wein, Herr Marschall?«, nuschelte Meed, der nicht einmal aufsah. Seine Stimme schien sich schwach und dünn in dem großen Raum zu verlieren. West bildete sich ein, dass er den Atem des alten Mannes weiß vor seinem Mund aufsteigen sah.
    »Nein, Euer Ehren, vielen Dank.« Burr blickte finster drein. Das hatte er, soweit West beobachtet hatte, die letzten zwei Monate ununterbrochen getan. Er schien keinen anderen Gesichtsausdruck mehr zu haben. Es gab einen finsteren hoffnungsvollen Blick, einen finsteren zufriedenen Blick und einen finsteren überraschten Blick. Und jetzt war es ein finsterer Blick voll äußersten Zorns. West verlagerte sein Gewicht nervös von einem Fuß auf den anderen, versuchte, das Blut wieder zirkulieren zu lassen, und wünschte, er wäre woanders – irgendwo, nur nicht hier.
    »Wie ist es mit Ihnen, Herr Major?«, hauchte der Lord Statthalter. »Möchten Sie etwas Wein?« West öffnete den Mund, um höflich abzulehnen, aber Burr kam ihm zuvor.
    »Was ist geschehen?«, polterte er, und die harten Worte prallten von den kalten Wänden ab und hallten in den eisigen Dachsparren nach.
    »Was geschehen ist?« Der Lord Statthalter setzte sich mit einem Ruck ein wenig auf und richtete die tief liegenden Augen langsam auf Burr, als sähe er den Marschall soeben zum ersten Mal. »Ich habe meine Söhne verloren.« Er griff mit bebender Hand nach seinem Glas und leerte es bis zur Neige.
    West sah, wie sich Marschall Burrs Hände hinter seinem Rücken noch stärker verkrampften. »Mein Beileid für den schweren Verlust, der Sie getroffen hat, Euer Ehren, aber ich bezog mich auf die allgemeine Lage. Ich rede von Schwarzenquell.«
    Meed schien vor der bloßen Erwähnung des Ortes zurückzuzucken. »Es kam zur Schlacht.«
    »Es kam zu einem Gemetzel!«, bellte Burr. »Wie erklären Sie das? Haben Sie die Befehle des Königs nicht gelesen? Sie sollten jeden Soldaten zu den Waffen rufen, der Ihnen zur Verfügung stand, Ihre Verteidigungsanlagen bemannen und auf Verstärkung warten! Und unter keinen Umständen sollten Sie eine Schlacht mit Bethod riskieren!«
    »Die Befehle des Königs?« Die Lippen des Lord Statthalters kräuselten sich. »Die Befehle des Geschlossenen Rats, meinen Sie? Die habe ich erhalten. Ich habe sie auch gelesen. Ich habe sie erwogen.«
    »Und dann?«
    »Dann habe ich sie zerrissen.«
    West konnte hören, wie der Lord Marschall scharf die Luft durch die Nase einzog. »Sie haben sie … zerrissen?«
    »Seit hundert Jahren haben meine Familie und ich Angland regiert. Als wir hierherkamen, war da nichts.« Meed reckte das Kinn, so stolz er konnte, und streckte die Brust heraus. »Wir haben die Wildnis gezähmt. Wir haben die Wälder gerodet, die Straßen angelegt, und wir haben die Höfe, die Minen und die Städte gebaut, die der ganzen Union viel Reichtum eingebracht haben!«
    Die Augen des Alten begannen nun zu leuchten. Er schien größer, mutiger, stärker. »Die Menschen dieses Landes wenden sich zuerst an mich, wenn sie Schutz suchen, und erst dann schauen sie übers Meer! Sollte ich es diesen Nordmännern, diesen Barbaren, diesen Tieren gestatten, ungestraft durch meine Lande zu ziehen? Die großen Errungenschaften meiner Vorväter in Schutt und Asche zu legen? Zu rauben, zu brennen, zu vergewaltigen und zu morden, wie es ihnen gefällt? Sollte ich hinter meinen Mauern sitzen, während sie Angland dem Schwert überantwortet haben? Nein, Marschall Burr! So bin ich nicht! Ich rief alle Männer zusammen, bewaffnete sie und sandte sie aus gegen diese Wilden, und meine drei Söhne gingen an vorderster Front. Was hätte ich sonst tun sollen?«
    »Sie hätten die Scheiß-Befehle befolgen sollen, die Sie bekamen!«, brüllte Burr völlig außer sich. West fuhr

Weitere Kostenlose Bücher