Feuerklingen (First Law - Band 2)
aufs Gras. »Verdammte Töpfe«, fluchte er, als er das Geschirr, das rund ums Feuer gelegen hatte, einsammelte und dann zum Bach hinunterstapfte.
Ferro sah ihm nach, und ihr Gesicht hatte einen seltsamen Ausdruck angenommen, der vielleicht sogar ihre Art zu lächeln darstellte. Sie wandte sich wieder dem Feuer zu und leckte sich über die Lippen. Logen zog den Stopfen aus dem Wasserschlauch und hielt ihn ihr hin.
»Ah«, knurrte sie, riss ihm den Schlauch aus der Hand und nahm einen hastigen Schluck. Als sie sich dann den Mund an ihrem Ärmel abwischte, sah sie ihn von der Seite an und runzelte die Stirn. »Was denn?«
»Nichts«, sagte er schnell, wandte den Kopf ab und hob die leeren Handflächen. »Gar nichts.« Innerlich lächelte er jedoch. Kleine Gesten und viel Zeit. So würde er es schaffen.
KLEINE VERGEHEN
»Kalt, was, Oberst West?«
»Ja, Euer Hoheit, der Winter kommt näher.« In der Nacht hatte es sogar fast geschneit; hässlicher Schneeregen hatte alles mit eisiger Nässe überzogen. Jetzt, im blassen Morgenlicht, erschien die ganze Welt halb gefroren. Die Hufe ihrer Pferde machten auf dem halb gefrorenen Schlamm knirschende und schmatzende Geräusche. Wasser tropfte traurig von den halb gefrorenen Bäumen. West fühlte sich ebenso halb gefroren. Sein Atem fuhr dampfend aus seiner laufenden Nase. Die Ränder seiner Ohren prickelten unangenehm und waren taub vor Kälte.
Prinz Ladisla schien das kaum zu bemerken, aber er trug auch einen enormen Mantel, Mütze und Fausthandschuhe aus schimmerndem schwarzem Pelz, die mit Sicherheit ein paar hundert Mark gekostet hatten. Er grinste zu West hinüber. »Die Männer machen einen guten und leistungsfähigen Eindruck, trotz alledem.«
West traute seinen Ohren kaum. Das Regiment der Königstreuen, das Ladislas Befehl unterstellt worden war, war wohl tatsächlich in ganz anständiger Verfassung, das stimmte. Ihre geräumigen Zelte waren in ordentlichen Reihen in der Mitte des Lagers aufgestellt, vor den Eingängen brannten die Küchenfeuer, und die Pferde waren in der Nähe säuberlich angepflockt.
Die Lage der Einberufenen, die etwa drei Viertel ihrer Truppe ausmachten, war jedoch weniger rosig. Viele von ihnen waren beschämend schlecht ausgerüstet. Es waren Männer, die keine Waffen hatten oder nicht für ihren Einsatz ausgebildet worden waren, und einige von ihnen waren schlicht zu krank oder zu alt zum Marschieren, vom Kämpfen ganz zu schweigen. Manche besaßen kaum mehr als die Kleider, die sie am Leibe trugen, und sie waren in beklagenswerter Verfassung. West hatte gesehen, wie sich Männer unter Bäumen zusammengerollt hatten, um ein wenig Wärme zu erhaschen, und dabei nur eine halbe Decke besaßen, um sich vor dem Regen zu schützen. Es war eine Schande.
»Die Königstreuen sind gut versorgt, aber ich mache mir Sorgen um die Lage einiger der Einberufenen, Euer …«
»Ja«, sagte Ladisla und sprach weiter, als hätte West überhaupt nichts gesagt, »gut und leistungsfähig! Die brennen vor Kampfeslust! Ist wohl das Feuer in ihren Bäuchen, das sie warm hält, was, West? Die können es gar nicht erwarten, endlich Feindberührung zu bekommen! Eine verdammte Schande, dass wir gezwungen sind, hier auszuharren und uns an diesem Ufer die Beine in den Bauch zu stehen!«
West biss sich auf die Lippe. Prinz Ladislas unglaubliches Talent für Selbsttäuschung wurde mit jedem Tag, der verging, unerträglicher. Seine Hoheit hatte sich in die Vorstellung verrannt, ein großer und berühmter Feldherr zu sein, der eine unvergleichliche Kampftruppe befehligte. Er träumte davon, einen ruhmreichen Sieg zu erringen und zu Hause in Adua als Held gefeiert zu werden. Statt jedoch auch nur den Hauch einer Anstrengung zu unternehmen, damit das auch geschah, benahm er sich vielmehr, als sei das alles schon passiert, und verschloss sich völlig der Wirklichkeit. Nichts, was seiner verblendeten Wahrnehmung widersprach, durfte an ihn herankommen. Die Stutzer seines Stabes, die alle zusammen keinen Monat Felderfahrung vorweisen konnten, gratulierten ihm währenddessen zu seiner hervorragenden Urteilsfähigkeit, klopften sich gegenseitig auf die Schultern und stimmten jeder seiner Äußerungen zu, ganz gleich, wie albern sie sein mochte.
Sich nie etwas versagen zu müssen, nie für etwas arbeiten zu müssen und niemals auch nur die geringste Selbstdisziplin aufbringen zu müssen, das vermittelte einem Menschen sicherlich eine seltsame Haltung gegenüber der Welt,
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