Feuerklingen (First Law - Band 2)
zischte Bayaz. »Verfluchte Künste. Voll schrecklicher Gefahr. Furchtbare Verstöße gegen das Erste Gebot.«
»Aber Glustrod kannte kein Gebot außer seiner eigenen Stärke. Schon bald saß er im Thronsaal des Kaisers auf einem Haufen Totenschädel, saugte das Fleisch von Menschen ein wie ein Wickelkind seine Milch und sonnte sich in seinem Sieg. Das Kaiserreich stürzte in ein Chaos, das einen Hauch jener schrecklichen Zeiten vor der Ankunft des Euz vermittelte, in denen unsere Welt und die Unterwelt noch eins waren.«
Ein Windstoß seufzte durch die Spalten des alten Mauerwerks, das sie umgab; Logen erschauerte und zog seine Decke enger um den Körper. Die verdammte Geschichte machte ihn nervös. Gestohlene Gesichter, ausgesandte Teufel, verzehrte Menschen. Aber Quai hörte nicht auf. »Als er entdeckte, was Glustrod getan hatte, war Juvens’ Zorn schrecklich groß, und er bat seine anderen Brüder um Hilfe. Kanedias kam jedoch nicht. Er blieb in seinem versiegelten Haus, spielte mit seinen Maschinen und kümmerte sich nicht um die Welt vor seiner Tür. Juvens und Bedesch stellten ohne ihn eine Truppe auf und fochten einen Krieg gegen ihren Bruder aus.«
»Einen schrecklichen Krieg«, murmelte Bayaz, »mit schrecklichen Waffen und schrecklichen Verlusten.«
»Die Kämpfe weiteten sich über den ganzen Kontinent von einer Seite zur anderen aus; sie fraßen sich in jede kleine Rivalität hinein und sorgten für eine Unzahl von Fehden, Verbrechen und Rachefeldzügen, deren Folgen noch heute die Welt vergiften. Aber letztlich siegte Juvens. Glustrod wurde in Aulcus belagert, seine Teufelsbrut enttarnt und sein Heer zerschlagen. jetzt, in seinem verzweifeltesten Augenblick, flüsterten ihm die Stimmen aus der Unterwelt einen neuen Plan ein. Öffne ein Tor zur Anderen Seite, sagten sie. Knacke die Schlösser, zerstöre die Siegel und stemme die Türen auf, die dein Vater verschloss. Brich das Erste Gebot ein letztes Mal, lass uns wieder zurück in die Welt, und du wirst nie wieder übersehen, verstoßen oder betrogen werden.«
Der Erste der Magi nickte langsam vor sich hin. »Aber er wurde ein weiteres Mal betrogen.«
»Der arme Narr! Die Geschöpfe der Anderen Seite sind aus Lügen gemacht. Wer sich mit ihnen abgibt, begibt sich in die allergrößte Gefahr. Glustrod bereitete seine Rituale vor, aber in seiner Eile unterlief ihm ein kleiner Fehler. Vielleicht war nur ein Körnchen Salz nicht an seinem Platz, aber die Folgen waren furchtbar. Die große Kraft, die Glustrod heraufbeschworen hatte, stark genug, um ein Loch ins Gewebe der Welt zu reißen, wurde ohne Gestalt oder ordnende Macht entfesselt. Glustrod vernichtete sich selbst. Aulcus, die wunderschöne, großartige Hauptstadt des Kaiserreichs, wurde zerstört, das Land darum herum auf ewig vergiftet. Heute noch wagt sich niemand auf Meilen in die Nähe. Die Stadt ist ein von Trümmern übersäter Friedhof. Eine Ruine. Ein passendes Denkmal für die Narretei und den Stolz Glustrods und seiner Brüder.« Der Lehrling sah zu Bayaz hinüber. »Spreche ich die Wahrheit, Meister?«
»Das tut Ihr«, murmelte der Magus. »Ich weiß es. Ich sah es. Als junger Narr mit vollem und glänzendem Haar.« Er fuhr sich mit der Hand über den kahlen Kopf. »Ein junger Narr, der ebenso wenig von Magie und Weisheit und den Wegen der Macht verstand wie Ihr heute, Meister Quai.«
Der Zauberlehrling neigte den Kopf. »Ich lebe, um zu lernen.«
»Und in dieser Hinsicht scheint Ihr gute Fortschritte gemacht zu haben. Wie hat Euch die Geschichte gefallen, Meister Neunfinger?«
Logen blies die Backen auf. »Ich hatte auf etwas Lustigeres gehofft, aber ich muss mich wohl auch mit anderem zufrieden geben.«
»Ein Haufen Schwachsinn, wenn man mich fragt«, erklärte Luthar abfällig.
»Ha«, schnaubte Bayaz. »Wie gut, dass niemand von uns das getan hat. Vielleicht könntet Ihr jetzt mal das Geschirr abwaschen, Herr Hauptmann, bevor es dazu zu spät wird.«
»Ich?«
»Einer von uns hat das Essen gejagt, ein anderer hat es zubereitet. Einer hat die Gruppe mit einer Geschichte unterhalten. Ihr seid der Einzige, der bisher noch gar nichts beigetragen hat.«
»Außer Euch.«
»Oh, ich bin viel zu alt, um so spät am Abend noch in einem Bach herumzuplanschen.« Bayaz’ Gesicht wurde hart. »Ein großer Mann muss als Erstes Demut lernen. Das Geschirr wartet.«
Luthar öffnete den Mund und wollte etwas sagen, überlegte es sich dann aber, stand zornbebend auf und warf seine Decke
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