Feuerklingen (First Law - Band 2)
hatte sich herabgesenkt, der ihn von der Welt abschnitt.
Regen.
Dicke Tropfen schlugen auf den Fenstersims, zerplatzten dort in tausend kleinere und verbreiteten einen kühlen Nebel in seinem Zimmer, befeuchteten den Teppich unter dem Fenster und die Vorhänge, legten sich beruhigend auf Gloktas klamme Haut.
Regen.
Er hatte vergessen, dass es so etwas gab.
In weiter Ferne zuckte ein Blitz über den Himmel. Die Türmchen des großen Tempels hoben sich für einen kurzen Augenblick schwarz wie ein Scherenschnitt vom Regenschleier ab, und dann legte sich wieder die Dunkelheit über die Stadt, während von weit her ein lang anhaltendes, zorniges Donnergrollen erklang. Glokta streckte den Arm aus dem Fenster und fühlte das Wasser auf seine Haut prasseln. Ein seltsames, fremdes Gefühl.
»Wer hätte das gedacht«, murmelte er.
»Die ersten Regenfälle.« Glokta verschluckte sich beinahe, als er herumwirbelte, ins Taumeln kam und nach den feuchten Steinen der Fensterfüllung griff, um sich zu stützen. Das Gemach war so dunkel wie die Hölle, und er konnte nicht sagen, woher die Stimme gekommen war.
Habe ich mir das nur eingebildet? Träume ich noch?
»Ein erhabener Augenblick. Die Welt scheint wieder zu leben.« Glokta blieb fast das Herz stehen. Es war eine Männerstimme, tief und volltönend.
Die Stimme dessen, der Davoust verschwinden ließ? Der auch mich gleich ergreifen wird?
Wieder wurde der Raum von einem grellen Blitz erhellt. Der Sprecher saß im Schneidersitz auf dem Teppich. Ein alter schwarzer Mann mit langem Haar.
Zwischen mir und der Tür. Kein Weg an ihm vorbei, selbst wenn ich ein besserer Läufer wäre, als ich es nun einmal bin.
Das Licht erlosch sofort wieder, aber es war, als bleibe das Bild noch einen Augenblick bestehen, wie in Gloktas Augen eingebrannt. Dann erschütterte ein mächtiger Donnerschlag den Himmel und hallte in der Dunkelheit des großen Gemachs wider.
Meine verzweifelten Hilfeschreie würde niemand hören, nicht einmal, wenn irgendjemand an meinem Schicksal interessiert wäre.
»Wer, zur Hölle, sind Sie?« Der Schock schwang in Gloktas Stimme mit.
»Yulwei ist mein Name. Es besteht kein Grund zur Sorge.«
»Kein Grund zur Sorge? Soll das ein verdammter Witz sein?«
»Wenn ich die Absicht hätte, Sie zu töten, wären Sie bereits im Schlaf gestorben. Ich jedoch hätte eine Leiche zurückgelassen.«
»Da bin ich aber beruhigt.« Gloktas Verstand arbeitete auf Hochtouren, als er versuchte, sich an die Gegenstände zu erinnern, die in seiner Reichweite standen.
Vielleicht schaffe ich es bis zu der verzierten Teekanne auf dem Tisch.
Beinahe hätte er laut aufgelacht.
Und was täte ich dann damit? Ihm einen Tee anbieten? Das ist keine Waffe, selbst dann nicht, wenn ich ein wesentlich besserer Kämpfer wäre, als ich es nun einmal bin.
»Wie sind Sie hier hineingekommen?«
»Ich habe meine Methoden. Auf dieselbe Weise, wie ich die große Wüste überquerte, ungesehen die belebte Straße von Schaffa zurücklegte, mitten durch das Heer der Gurkhisen ging und schließlich in die Stadt kam.«
»Ach, und ich dachte noch, Sie hätten vielleicht einfach angeklopft.«
»Wenn man anklopft, heißt das nicht zwingend, dass man auch eingelassen wird.« Gloktas Augen versuchten die Düsternis zu durchdringen, aber er konnte außer den schwachen grauen Umrissen der Möbel und den grauen Flächen der anderen Fenster mit ihren hohen Bogen nichts erkennen. Der Regen trommelte weiter auf den Sims hinter ihm und schlug leise auf die Dächer der Stadt. Als er sich gerade fragte, ob sein Traum nun vorbei war, hörte er die Stimme wieder. »Ich habe die Gurkhisen beobachtet, wie stets in den langen vergangenen Jahren. Das ist die Aufgabe, die man mir zugewiesen hat. Die Buße, die ich für meine Beteiligung an der Spaltung unseres Ordens auferlegt bekam.«
»Ihrem Orden?«
»Dem Orden der Magi. Ich bin der vierte von Juvens’ zwölf Lehrlingen.«
Ein Magus. Das hätte ich mir ja denken können. Wie dieser alte Unruhestifter Bayaz, der auch nur Verwirrung gestiftet hat. Da hat man schon seine Sorgen mit Politik und Verrat, und als ob das noch nicht reichte, kommen jetzt noch Legenden und Aberglauben dazu. Aber immerhin sieht es so aus, als würde ich die Nacht überleben.
»Ein Magus, so. Entschuldigen Sie, wenn sich meine Begeisterung in Grenzen hält. Meine bisherigen Zusammenkünfte mit Mitgliedern Ihres Ordens waren bestenfalls Zeitverschwendung.«
»Vielleicht kann ich unseren guten Ruf nun
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