Feuerklingen (First Law - Band 2)
Schlucht hinunter, prallte von den steilen Felswänden ab und flog wie eine Lumpenpuppe mit dem Gesicht nach unten in den Bach.
»Los, reitet!«, brüllte Bayaz, aber Jezal konnte nichts tun, er saß starr in seinem Sattel und starrte mit offenem Mund vor sich hin. Die Luft rund um den Magus flimmerte immer noch, stärker als zuvor. Die Felsen hinter ihm bröckelten und bewegten sich wie Steinchen auf einem Flussbett. Der alte Mann verzog das Gesicht und sah starren Blickes auf seine Hände. »Nein …«, murmelte er und drehte sie hin und her.
Die braunen Blätter, die den Boden bedeckt hatten, wirbelten durch die Luft wie nach einem Windstoß. »Nein«, sagte Bayaz, und seine Augen weiteten sich. Sein ganzer Körper hatte zu zittern begonnen. Jezal sah mit aufgerissenen Augen zu, wie die losen Steinchen in ihrer Nähe vom Boden aufstiegen und aufs Unmöglichste nach oben zu wirbeln begannen. Zweige knickten von den Büschen, Grasbüschel lösten sich von den Steinen, sein Mantel raschelte und flatterte, als ob eine unsichtbare Macht ihn emporzöge.
»Nein!«, schrie Bayaz, dann zogen sich seine Schultern in einem plötzlichen Krampf zusammen. Ein Baum in der Nähe spaltete sich mit ohrenbetäubendem Krachen, und Holzsplitter rieselten in die aufgewühlte Luft. Jemand schrie, aber Jezal hörte ihn kaum. Sein Pferd scheute, und ihm fehlte die Geistesgegenwart, um sich im Sattel zu halten. Mit einem Ruck fiel er rücklings auf den Boden, während das ganze Tal um ihn herum schimmerte, zitterte und vibrierte.
Bayaz’ Kopf fiel zurück, ganz starr, und eine Hand schoss nach oben und krallte sich ins Nichts. Ein Steinbrocken von der Größe eines Männerkopfes flog an Jezals Gesicht vorbei und zerbarst an einem Felsen. Die Luft war erfüllt von herumwirbelndem Unrat, von Holzstücken, Stein, Erde und zerbrochener Ausrüstung. In Jezals Ohren dröhnte ein schreckliches Klappern, Rasseln und Heulen. Er warf sich auf den Bauch, riss schützend die Arme über den Kopf und kniff die Augen zusammen.
Er dachte an seine Freunde. An West und Jalenhorm und Kaspa, sogar an Leutnant Brint. Er dachte an seine Familie und an sein Zuhause, an seinen Vater und seine Brüder. Er dachte an Ardee. Wenn er das hier überleben und sie je wieder sehen würde, dann wollte er ein besserer Mensch werden. Er schwor es sich mit tonlosen, zitternden Lippen, während der unnatürliche Wind das Tal um ihn her auseinanderriss. Er würde nie wieder selbstsüchtig sein, nie wieder eitel, nie wieder faul. Er würde ein besserer Freund, ein besserer Sohn, ein besserer Geliebter sein, wenn er das hier nur überstand. Wenn er nur …
Er hörte den eigenen verängstigten Atem mit seinen schnellen Stößen, und das Blut rauschte in seinem Kopf.
Der Lärm war verebbt. Jezal öffnete die Augen. Er nahm die Hände vom Kopf, und Zweige und Erdklumpen rieselten auf ihn herunter. Um ihn herum segelten überall Blätter zu Boden, und die Schlucht hing voller Staub, der in der Kehle kratzte. Neunfinger stand in der Nähe, und rotes Blut rann von einer Schnittwunde an der Stirn über das dreckige Gesicht. Irgendjemand stand ihm gegenüber. Einer der Männer, die ihnen den Rückweg versperrt hatten, ein großer Kerl mit einem dichten, roten Schopf. Sie umkreisten einander. Jezal sah ihnen zu, er kniete noch auf dem Boden, und der Mund stand ihm offen. Irgendetwas sagte ihm, dass er eingreifen musste, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er das anstellen sollte.
Der Rothaarige bewegte sich plötzlich, sprang nach vorn und schwang das Schwert über seinen Kopf. Er war schnell, aber Neunfinger war schneller. Er trat zur Seite, sodass die zischende Klinge sein Gesicht um einige Zoll verfehlte, dann traf er seinen Gegner mit einem Streich quer über den Bauch. Der Mann keuchte und stolperte ein oder zwei Schritte weit. Neunfingers schwere Klinge biss mit einem hohlen, klickenden Geräusch in seinen Hinterkopf. Er stolperte über die eigenen Füße und fiel vornüber, während Blut aus der klaffenden Kopfwunde strömte. Jezal sah, wie es sich langsam über den Boden rund um den Toten ausbreitete. Ein großer, dunkler See, der sich allmählich mit dem Staub und der losen Erde vermischte. Hier gewann nicht der, der die meisten von drei Treffern erzielte. Und es gab keine zweite Runde.
Das Geräusch einer Rangelei und lautes Keuchen drangen an sein Ohr, und als er aufsah, kämpfte Neunfinger mit einem anderen Mann, einem großen, breitschultrigen Kerl. Die
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