Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
seine Stirn. Die
Knie knicken ein und sein Körper fällt vornüber auf den Boden.
Er
packt den Dämon an den Füßen, schleift ihn aus dem Sichtfeld hinter den Wagen
und geht zur Wagentür. Dort liegt der Autoschlüssel, den der Mörder fallen
gelassen hat. Er hebt ihn auf und schließt den Kofferraum auf. Mit einem Griff
zieht er das Warndreieck aus der gelben Plastikhülle. Das Zeichen ist aus
dünner Plastikfolie. Mühsam reißt er es in Streifen und fesselt damit die Hände
und Füße des Dämons. Er hockt sich neben ihn und wartet. Die Zeit scheint still
zu stehen. Endlich hört er das ersehnte Motorengeräusch. Zwei Scheinwerfer
schweben heran. Der Fahrer fährt im Schritttempo an den abgestellten Wagen
vorbei. Jetzt ist er heran.
»Nicos!«,
ruft eine unsichere Stimme aus dem heruntergedrehten Seitenfenster. »Hallo!
Nicos, du hier?«
»Georgios?«
»Ja!«
»Ich
hab ihn erwischt, Georgios! Jetzt wird der Teufel für alles bezahlen, was er
uns beiden angetan hat! Komm, du wirst mir dabei helfen!«
Epilog
Freitag,
der 26. März 2004
Ein unerträglicher Schmerz hat seinen Nacken gepackt und ihn vor sich her
durch Hamburg geschoben. Er setzt willenlos einen Schritt vor den nächsten,
wird in den Bus gedrückt, wieder hinaus und über die verschlungenen Wege der
Uni-Klinik Eppendorf, bis er vor dem einstöckigen Flachbau der Rechtsmedizin
steht. ›Butenfeld 34‹ steht auf seinem Zettel notiert. Er geht zur Rezeption,
sagt seinen Namen und wartet. Es dauert endlose zehn Minuten, bis ein kleiner,
dürrer Mann mit kahlem Kugelkopf auftaucht und zielstrebig auf ihn zusteuert.
Sein aufgesetzt leidender Gesichtsausdruck soll einfühlsam wirken, täuscht aber
nicht über die Anstrengung hinweg, die sich dahinter verbirgt.
»Sie
sind Herr Anthemos, Nicos Anthemos?«
Die
Worte dringen in sein Ohr und werden an das Gehirn gesendet. Er nickt wie von
selbst. Sein Körper arbeitet wie eine geölte Maschine, angetrieben von
elektro-chemischen Prozessen. Seine Gedanken, eine Zusammenballung eines
einzigen, stummen Schreis.
»Ich
bin Kommissar Weckesser! Wollen Sie mir bitte folgen!«
Der
kleine Mann reicht ihm nur bis an die Schulter und geht voran. Er folgt einen
Schritt dahinter. Sie steigen in den Fahrstuhl und fahren in den Keller
hinunter. Die Neonlampen im schlauchähnlichen Flur verbreiten ein
bläulichkaltes Licht. Ein unangenehmer Geruch liegt in der Luft. Die beiden
Männer betreten einen weiten Raum, der mit schmutziggelben Kacheln gefliest
ist. Mittendrin stehen mehrere Seziertische aus blankem Edelstahl. Auf einem
liegt ein weißes Leinentuch, darunter ein Körper. Die nackten Füße schauen
hervor. Am linken großen Zeh hängt ein Etikett mit der Nummer 03-174. In der
Ecke am Fenster steht ein junger Mann in grüner Jacke und Hose und beißt in
eine Brötchenhälfte. Als er die beiden Männer wahrnimmt, lässt er sie hinter
seinem Rücken verschwinden. Er eilt ans Kopfende des Seziertischs. Das
angebissene Brötchen bleibt auf der Fensterbank zurück.
Das
Laken strahlt erbarmungslos weiß. Nicos sackt das Blut aus dem Kopf. Er sieht
nur noch schemenhaft, wie der Mann in Grün die beiden Zipfel am Kopfende packt,
das Tuch nach vorn zieht und das Gesicht seines Sohnes darunter zum Vorschein
kommt. Es wirkt entspannt. Wäre es nicht so unnatürlich bleich, würde er
glauben, sein Sohn schliefe. Neben ihm spricht eine Stimme die unbarmherzige
Wahrheit.
»Ist
das Ihr Sohn, Herr Anthemos?«
»Georgios!«,
hört er seine schrille Stimme aus der Ferne schreien. Die Knie werden weich.
Bevor er zu Boden sackt, greifen zwei Arme unter seine Achseln und halten ihn
aufrecht. Die beiden Männer führen ihn langsam auf den Flur. Er jammert leise
vor sich hin.
Vor seinen Augen tauchen die beiden Polizisten auf, die vor der Tür
standen, als er nach dem Klingeln seine Wohnungstür geöffnet hatte. Er war nur
zwanzig Minuten daheim gewesen, hatte seinen kleinen Gemüseladen, mit dem er
jetzt sein Geld verdiente, am Abend wie immer spät geschlossen. Die beiden Männer
hatten mit regungslosen Mienen dagestanden. Trotzdem konnten sie den Unwillen
in ihren Augen nicht verbergen, und er wusste sofort, es könnte nur etwas mit
Georgios passiert sein.
Nachdem
er mit seinen Söhnen wieder zurück nach Hamburg gezogen war, hatte der Älteste
sich abrupt und ohne Begründung von ihm abgewendet. Er war fortan seine eigenen
Wege gegangen. Nicos musste danach schmerzlich begreifen, dass der Sohn seine
Schuld nicht
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