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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Putsch gestürzt. Und die zweite
Schutzmacht, die liebe Türkei? Sie nutzt die Gunst der Stunde und fällt über
uns her. Zu guter Letzt diese elenden Briten, die Dritten in diesem verlogenen
Bund. Die sehen dem ganzen Irrsinn so lange tatenlos zu, bis wir hier alle
verreckt sind.
    Als
der Morgen sich mit einem zarten Schimmer in das Dunkel der Nacht drängte,
bemerkte er, dass sich seine Einheit in einem kleinen Orangenhain befand.
    »Abrücken,
Leute, wir rücken ab!«, hatte er eine Stimme brüllen gehört. Ein Unteroffizier
war von einem verkohlten Baum zu ihm herübergerobbt gekommen.
    »Das
ist doch Wahnsinn!«, hatte Georgios ihn angeschnauzt. »Wir haben den Vormarsch
der Türken gestoppt! Warum sollten wir ausgerechnet jetzt die Stellung hier
aufgeben!«
    »Befehl
vom Hauptquartier!«
    Georgios
war von Groll und Trauer übermannt worden und in sich zusammengesunken. Mit
einem Mal war ihm klar geworden, die Junta will gar nicht, dass ›wir‹ siegen.
Sie wollen das Land dem Feind überlassen. Der ganze Kampfeinsatz, eine einzige
Lüge.
    Seine
letzte Hoffnung war in diesem Moment wie mit einem Lichtschalter ausgeklickt
worden. Gleichzeitig hatte er den Entschluss gefasst zu desertieren.
    Ich
brauche unbedingt Zivilkleidung, dachte er, als er durch die menschenleeren
Straßen von Neon Khorion ging. In einem der verlassenen Häuser fand er in einem
Schrank eine passende Hose und mehrere Hemden. Er beschloss, sich zu Fuß bis
nach Engomi durchzuschlagen. In Engomi lebte seine jüngere Schwester Chloe, die
mit Stephanides verheiratet war. Zusammen könnten sie weitergucken.
     
    *
     
    »Die türkischen Streitkräfte haben am 20. Juli 1974 mit einem
Friedenseinsatz auf Zypern begonnen.«
    Stephanides
lauschte der quäkenden Stimme, die in griechischer Sprache aus dem Lautsprecher
seines kleinen Kofferradios tönte.
    »Damit
wird dem Jahrzehnte währenden Zwist unserer beiden Länder ein Ende bereitet,
der durch extremistische und irredentistische Elemente provoziert wurde. Die
ganze Welt weiß, dass das verbrecherische Regime in Athen vor nichts
zurückschreckt. Es verübt sogar Massaker an den eigenen Landsleuten. Der
inszenierte Militärputsch gegen Erzbischof Makarios war weit mehr als ein
Putsch. Hier wurden in flagranter Weise die Unabhängigkeit der Republik Zypern
und die internationalen Übereinkommen verletzt. Die Türkei ist eine
Garantiemacht für diese Unabhängigkeit. Deshalb hat sie sich entschlossen, mit
diesem militärischen Vorgehen eine der finstersten Epochen in der Geschichte
Zyperns zu einem guten Abschluss zu bringen. Dies ist kein Akt der Aggression,
sondern eine Handlung gegen jedwede Aggression. Der Sieg der türkischen
Streitkräfte wird ein Sieg der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freiheit
sein. Reicht euren türkischen Brüdern die Hand, um diesen Sieg zu vollenden und
gemeinsam ein neues, freies und glückliches Zypern aufzubauen!«
    »Heiliger
Matthias, heiliger Lukas!«, stieß der schwarzhaarige Mann mit dem Stoppelbart
zwischen seinen Zähnen hervor. Der griechische Zypriot verstand recht gut
türkisch, denn wie so viele Inselbewohner lebte er in einem gemischten,
zweisprachigen Dorf. Gestern hatte sich das Gerücht von einer Invasion an der
Nordküste wie ein Lauffeuer durch Engomi gefressen. Griechische und türkische
Einwohner waren sich daraufhin misstrauisch aus dem Weg gegangen. Jetzt
bestätigte die Nachricht aus dem Radio das Gerücht, machte es zu einer
Tatsache.
    Stephanides
kramte die Kognakflasche hervor, die er sich für schlechte Zeiten hinter einer
losen Holzplatte zurückgelegt hatte.
    Schlechter
können die Zeiten nicht mehr werden, dachte er und nahm einen kräftigen
Schluck. Trotz des wohligen Gefühls im Magen zitterten seine Hände weiterhin.
Er verstaute die Flasche wieder in dem Versteck in seinem Kiosk. Die kleine
Bretterbude lag ungefähr einen Kilometer von seinem Dorf entfernt direkt neben
dem Barnabas-Kloster . Sein Vater hatte sie ihm kurz vor seinem Tod
vererbt. Das Geld, das er mit dem Verkauf von Getränken, Brötchen, Süßigkeiten
und Zigaretten verdiente, reichte im Sommer gerade, um damit Frau und Sohn zu
ernähren. Vor dem Kloster lag die Grabstätte des heiligen Barnabas , dem
Nationalheiligen der Insel, und zog nicht wenige Besucher an.
    Als
er am heutigen Morgen mit dem Fahrrad über die flachen Felder vom Dorf hierher
geradelt war, um seinen Kiosk aufzumachen, hatte er nur noch drei Mönche im
Kloster angetroffen, die Ikonen in einen

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