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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Sonnenaufgang an. Er lehnte sich mit dem Rücken an einen
mächtigen ockerfarbenen Steinbrocken.
    Hier
unten in der weiten Ebene ist es unglaublich still, dachte er, während er
deutlich hören konnte, wie das Blut durch seinen Kopf floss. Ein Blick auf die
Uhr ließ ihn zu dem Entschluss kommen, dass es keinen Sinn mehr machte, sich
für eine halbe Stunde erneut in den Schlafsack zu wickeln. Seine zwanzig Mann
starke Einheit übernachtete südlich von Jurm in der Nähe der pakistanischen
Grenze.
    Sie
waren gestern Mittag nach der bewährten Hammer-Amboss-Taktik von einem
Mi-24-Helikopter im Tal abgesetzt worden. Ihr Auftrag war es, den Stützpunkt
der Mudschaheddin (Kämpfer im Dschihad) vor dem Anjuman-Pass von hinten
aufzustöbern, um einen Amboss für die von vorn anrückenden Bodentruppen zu
bilden. Die würden dann die Stellung mit BM-27- Raketenwerfern zerstören wie
mit einem Hammerschlag.
    Das
Geräusch von rutschendem Geröll ließ Wladimir herumfahren. Mit den ersten
Sonnenstrahlen im Rücken kam Pjotr Chomucha, die Kalaschnikow im Anschlag, von
der nahen Anhöhe zurück. Er hatte seinen Wachposten auf dem Gipfel verlassen,
um die Kameraden zu wecken.
    »Gut
Freund!«, rief Wladimir ihm rechtzeitig entgegen und fuchtelte mit den Armen.
    »Serschant
(Feldwebel), was machen Sie schon auf?«, fragte Pjotr.
    »Scheißerei!«,
antwortete Wladimir und fasste sich an den Magen.
    »Das
Land ist ein Elend! Der Krieg läuft nicht gut, Serschant!«
    »Stimmt!«
    »Habe
gehört, vor drei Wochen hat man ein Widerstandsnest in den Bergen um
Pul-i-Kumri platt gemacht, und es wurden Unmengen von Waffen bei diesen
Kameltreibern gefunden. Tschechische Kalaschnikows, Panzerminen aus Italien,
selbst amerikanische Stinger-Raketen und sogar eine fabrikneue
20-Millimeter-Luftabwehrkanone aus der Schweiz.«
    »Habe
ich auch gehört.«
    »Seit
die mit diesen Ami-Lenkwaffen herumballern, geht’s mit unserem Krieg rapide
abwärts. Die holen fast jeden Tag einen unserer Kampfhubschrauber vom Himmel.
Das ist doch Wahnsinn!«
    Wladimir
nickte zustimmend.
    »Ich
glaube, für diese Daddelfresser ist das Ganze ein einziges Abenteuer. Man
braucht nur in die Augen dieser Kämpfer zu sehen. Da ist der blanke Hass gegen
uns eingebrannt«, ereiferte sich Pjotr und zog eine Schachtel Zigaretten aus
der Brusttasche und hielt sie dem Serschant unter die Nase. Der verzog
angewidert sein Gesicht und deutete auf seinen Hintern. Im selben Moment kroch
der erste Soldat aus der Felsspalte und blickte die Männer verwundert an. Nach
und nach folgte der Rest der Truppe. Die Männer rieben sich die Hände, einer
warf einen kleinen Kocher an. Alle begannen, Päckchen mit Essensrationen
aufzureißen, öffneten Wurstdosen und schmierten Brote. Plötzlich verfinsterte eine
Myriade schwarzer Vögel den Himmel.
    Kein
gutes Omen, dachte der Serschant und sagte laut: »In zwanzig Minuten ist
Abmarsch!«
    Eine
Stunde später trafen die Männer auf ein kleines Dorf. Die meisten der
quadratischen, mit Lehm und Stroh verputzten Hütten waren von Granaten
zerborsten, die Mauerreste schwarz vor Ruß. Die Truppe bildete zwei Gruppen,
ging rechts und links die staubige Gasse hinunter und durchkämmte alle
unversehrten Gebäude. Der Serschant und Pjotr sicherten die Männer von hinten
mit der Maschinenpistole. Sie wussten zwar, dass die Mudschaheddin der offenen
Auseinandersetzung mit russischen Bodentruppen aus dem Wege gingen, aber gerade
ihre kleine Gruppe war immer ein potentielles Ziel. Jeder Leichtsinn in diesem
Land konnte tödlich sein.
    Im Nahkampf
waren die afghanischen Rebellen den sowjetischen Soldaten von Anfang an
überlegen gewesen. Sie überfielen sie meistens in Kampfgruppen von zwanzig bis
fünfzig Mann. Es vereinigten sich auch mehrere dieser Gruppen, manchmal bis zu
zweihundert Mann. Die Taktik der 40. Armee musste sich notgedrungen an diese
Strategie der Nadelstiche anpassen.
    Am
Ende des Dorfes trafen die beiden Gruppen wieder aufeinander. Sie hatten keine
Anwohner gefunden, alle mussten geflohen sein. Der Serschant ließ
weitermarschieren. Es ging über ockergelbe Geröllfelder. Nur langsam kamen sie
in dem unübersichtlichen Gelände voran. Das plötzliche Auftauchen einer Ziege
veranlasste die Männer, automatisch in Stellung zu gehen. Doch nichts
passierte. Der einzelnen Ziege folgte eine ganze Herde nach, die ihnen langsam
äsend entgegenstapfte. Mit erhobenen Waffen gingen sie durch die Tiere
hindurch. Plötzlich tauchten zwei kleine Jungen in

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