Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
schneebedeckte
Kulisse des Hindukusch, alles ohne Eintritt und ohne dass irgendjemand
irgendwas von uns wollte!«
»Na,
das gibt’s heute bestimmt nicht mehr. Der Terrorangriff auf die USA soll meines
Wissens mit Hilfe der Taliban in Afghanistan organisiert worden sein.«
»Stimmt
wohl! Muss eine schreckliche Bande sein, wenn man glaubt, was von denen in der
Presse berichtet wird«, sagt Colditz. Er wirkt auf einmal sehr nachdenklich.
»Ich
glaube, der einfache Afghane hat seit der Machtübernahme dieser
Fundamentalisten nichts mehr zu lachen. Ich erinnere mich noch genau daran, als
ich im Basar mehrere Tage um einen Teppich gefeilscht hab. Bei so einem Kauf
muss man Zeit mitbringen, viel Tee trinken und den Preis Schritt für Schritt
runterhandeln. Mitten in dieser Prozedur tritt unser Verkäufer plötzlich ans
Fenster und stößt einen kurzen Pfiff aus. Und du wirst es nicht glauben, Jan,
aus dem Baum vor dem Haus kommt ein Spatz durchs Fenster geflogen. Der Mann
hält ihm den ausgestreckten Finger entgegen, der Vogel landet darauf und lässt
sich mit Brot füttern. Dann ist er wieder durchs Fenster davon. Ein wild
lebender Spatz! Unglaublich, oder? So was war mir übrigens auf der ganzen Reise
durchs Land aufgefallen. Die meisten Afghanen haben ein besonderes Händchen für
Vögel. Fast alle hielten in Holzkäfigen irgendeinen Piepmatz. Und jetzt hab ich
vor kurzem in der Zeitung von einer Verordnung der Taliban gelesen: Das Spielen
mit Vögeln ist verboten, weil unislamisch. Ein Vergehen gegen diese Regel soll
mit Gefängnis bestraft und die Vögel getötet werden.«
»Unglaublich«,
entgegnet Swensen, »das ist schon so dumm, da fehlen mir die Worte. Und die
Zerstörung dieser riesigen Buddha-Statuen Anfang des Jahres, das ist doch
ebenfalls auf dem Mist der Taliban gewachsen, oder?«
»Ja,
trotz internationaler Proteste wurden die einfach weggesprengt. Muss im März
gewesen sein, und dieser Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar soll danach gesagt
haben, dass doch nur ein paar Steine zertrümmert worden sind.
1974: Invasion der türkischen Armee auf Zypern
1987:
Mudschaheddin-Kämpfer gegen die russische Armee
Montag,
der 6. April
Als er erwachte, verspürte Wladimir Suslin einen stechenden Schmerz in
der Magengegend. Blitzschnell wickelte er sich aus dem Schlafsack und sprang
auf. Weiße Lichtfäden tanzten vor seinen Augen. Ihm wurde schwindelig und er
musste sich auf die Knie fallen lassen. Gleichzeitig schwoll das Kneifen im
Magen ins Unerträgliche an. Er biss die Zähne zusammen und hörte seinen
schweren Atem. Halb kriechend, halb laufend schleppte er sich aus der Felshöhle
hinter einen nahen Bergvorsprung. Die Kälte schnitt ihm ins Gesicht. Nachts
gingen die Temperaturen noch empfindlich unter Null. Er zog sich die Uschanka (Pelzmütze) bis zur Nase herunter, öffnete mit klammen Fingern Gürtel und
Kampfanzug, zog Hose und Unterhose über die schwarzen Stiefel und hockte sich
auf den Steinboden. Mit einem Schwall brauner Brühe entlud sich sein Darm. Nach
einer kurzen Pause der Erleichterung wiederholte sich der Vorgang noch einmal.
Wladimir standen Schweißperlen auf der Stirn, aber er fühlte sich besser. Da er
kein Papier dabeihatte, kratzte er eine Hand voll Staub zusammen und säuberte
seinen Hintern.
»Hoffentlich
nur eine Magenverstimmung«, versuchte sich der Feldwebel zu beruhigen.
Während
er die Hose hochzog und mühsam alles wieder zuknöpfte, musste er an die rasant
steigenden Infektionskrankheiten in der 40. Armee denken. Selbst im 7.
Spetznaz-Bataillon (Spezialeinheit), in dem er als Zugführer diente, litt weit
über die Hälfte der Kameraden an Durchfall, manchmal mit Fieber und Erbrechen.
Die Truppen mussten jetzt bald sieben Jahre unter katastrophalen
Feldbedingungen und miserabler Wasserversorgung leben.
Diese
beschissene Situation haben die feinen Herren im Politbüro bestimmt nicht mit
eingeplant, dachte er. Man wollte uns einreden, dass Afghanistans neuer
Machthaber Najibullah die große Sowjetunion um Hilfe und Unterstützung
angefleht hat. Für wie blöd halten die uns eigentlich? Alles Augenwischerei das
Ganze! Die Operation Sturm 333 war von Anfang an an strategische
Eigeninteressen geknüpft. Das kommunistische Regime in Kabul sollte unter allen
Umständen an der Macht gehalten werden, und wir dürfen das täglich mit unserem
Blut bezahlen.
Im
Pandschir-Tal, das sich zu seinen Füßen erstreckte, kündigte ein violetter
Lichtstreifen den
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