Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Himmel.
»Eine
sowjetische Antonow!«, rief Mur a d seinen Männern zu
und deutete auf einen schwarzen Punkt im weiten Blau. »Die haben eine höllische
Angst vor unseren Flabs. Werfen ständig Phosphorstreifen ab, um die Lenkköpfe
zu stören.«
Die
Mudschaheddin hielten kurz inne und stapften dann stumm weiter, Fuß vor Fuß,
einer hinter dem anderen. Sie waren ein zusammengewürfelter Haufen, die meisten
aus Ägypten, zwei Jemeniten, vier Saudi-Araber und ein Algerier. Von den
Einheimischen wurden sie nur die arabischen Afghanen genannt. Sie alle
gehörten zu den ersten Gotteskriegern, die er als Kommandant persönlich im
Ausbildungscamp Masadah (Löwenhöhle) für den heiligen Krieg trainiert
hatte.
Während
seine Truppe gerade den höchsten Punkt erreicht hatte und mühsam ein Schneefeld
überquerte, ließ er sich zurückfallen, um das abfallende Gelände vor ihnen mit
den Augen abzusuchen. In dem kurzen Moment der Ruhe erinnerte er sich an die
Zeit, kurz bevor er dieses Düsseldorf wieder verlassen hatte.
Es
musste Anfang Juni 1983 gewesen sein, als er zum ersten Mal in der Bilasi-Achmed- Moschee
etwas über den heiligen Krieg in Afghanistan gehört hatte. Kurz darauf war in
ihm der Entschluss gereift, sich auf eine Pilgerreise nach Mekka zu begeben,
von der er nicht mehr ins ungläubige Deutschland zurückgekehrt war.
Obwohl
seine Beine schmerzten, zog er kraftvoll an den anderen Männern vorbei und
setzte sich wieder an die Spitze. Er gab ein Zeichen das Tempo zu
beschleunigen, holte alles aus ihnen heraus. Sie mussten die Russen unten im
Tal unbedingt überholen. Es zum Kommandanten gebracht zu haben, erfüllte ihn
mit Stolz und er dankte Allah, dass er die Ungläubigen aus dem Land jagen
durfte.
Jetzt
fiel der Pfad deutlich ab. Das Gehen wurde leichter. Vor seinem inneren Auge
tauchten Bilder seiner Hadsch (Pilgerfahrt) auf. Er sah sich mitten im
Strom der Pilger, wie er durch den Säulenwald der großen Moschee gezogen wurde,
sah wie er in den riesigen Innenhof hinaustrat und ihn dieser göttliche Blitz
erfasste, der ihn fast ohnmächtig werden ließ, als er die würfelförmige Kaaba
mit dem golddurchwirkten Überzug aus schwarzem Brokat vor sich erblickte. Er
sah seinen willenlosen Körper, der in diesem unaufhaltsamen Wirbel der Leiber
mitkreiste, einem Wirbel, der niemals ein Ende finden würde. In dieser heiligen
Verzückung traf er einen Palästinenser, der sich ihm später als Schaikh Dr.
Abdullah Azzam vorstellte. Der Doktor, wie ihn hier alle nannten, mit dem
markanten Vollbart und den feurigen Augen war ihm sofort aufgefallen, als er
nach seinem rituellen Rundgang mit einem Glas auf einen der Wasserträger wartete.
Er redete ununterbrochen auf die Schlange der Gläubigen ein, die hier nach
Wasser anstanden.
»Ich
bin zutiefst überzeugt, dass die Religion des Islam an sich so wahrhaftig, so
gewaltig und in unserem Wesen so verwurzelt ist, dass alle Bemühungen und alle brutalen
Angriffe unserer Feinde nichts bewirken werden.«
Er
konnte sich an diese zwingende Stimme noch heute fühlbar erinnern.
»Deshalb
ist der Dschihad in Afghanistan auch eine heilige Pflicht. Eine heilige
Pflicht, die den Wagemutigen nicht ohne himmlische Belohnung lässt. Wer sich
auf dem Pfad Gottes befindet, dem gehört der Sieg auf Erden und das Paradies im
Himmel. Dort warten auf jeden Märtyrer zweiundsiebzig, reine, großäugige
Mädchen, die immer wieder in Jungfrauen zurückverwandelt werden.«
Fasziniert
war er mit unzähligen Pilgern der magischen Ausstrahlung des Doktors erlegen,
der ihn am selben Abend zu sich nach Pakistan eingeladen hatte, und dort, im Makhtab
aI-Khidmat (Gästehaus für Mudschaheddin-Dienste) in Peschawar, war er auf
Abu Abdullah getroffen, einen saudischen Millionär, der sein weiteres Leben
grundsätzlich verändern sollte, – Osama bin Laden.
Dieser
schlaksige, über einsneunzig große Mann, der sich geschmeidig wie eine Katze im
Raum bewegen konnte, hatte ihn gleich bei der ersten Begegnung mächtig
beeindruckt. Fünf Wochen später hatte er Osama in Khost wiedergetroffen. Er war
den ganzen Tag in der Löwenhöhle von amerikanischen Offizieren darauf
gedrillt worden, wie Stinger-Raketen richtig abgefeuert werden. Die nagelneuen
Waffen sollten, wie gemunkelt wurde, von der CIA über Freunde der Partei des
Islamistenchefs Hekmatyar ins Ausbildungscamp von Osama gebracht worden sein.
Als
er am Abend mit den anderen Kämpfern Reis und Brot gegessen hatte, war die
imposante Gestalt
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