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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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linken Hand tritt er
gefährlich nah an die Journalistin heran.
    »Sie
jetzt gehen, sofort!«, sagt er mit scharfer Stimme und weist ihr mit dem Beil
die Richtung nach draußen.
    Maria
umklammert den Schirm und weicht automatisch auf den Hof zurück. Sofort fällt
die Eisentür ins Schloss. Die Journalistin steht für einen Moment erschrocken
davor, starrt wie hypnotisiert auf die weiß gestrichene Metallfläche und
versucht, den unerwarteten Wutausbruch gedanklich einzuordnen. Ihr Bild von den
immer freundlichen und fröhlichen Griechen ist durch ihre Urlaube auf Kreta,
Korfu und Rhodos geprägt. Bis jetzt war sie fest davon überzeugt, dass die
uralte Feindschaft zwischen Griechen und Türken lange der Vergangenheit
angehört. Ihr kommt die Melodie von dem Song I Kikni (Die Schwäne) von
Maria Farantouri in den Sinn. Mitte der Achtziger, als sie noch ein
eingefleischter Fan der Sängerin mit ihrem Vornamen war, hatte die Griechin
doch sogar mit dem Türken Zülfü Livaneli gemeinsam Konzerte gegeben.
    Irgendwie
irre, schießt es ihr durch den Kopf, man kann als unbeteiligte Person zwischen
Fronten geraten, mit deren Ursachen man nicht das Geringste zu tun hat. Oder
ist das ein großer Trugschluss? Wahrscheinlich betrifft uns alles, was in jedem
Moment auf der Welt passiert, auch wenn wir gar nichts davon wissen.
    Sie
erinnert sich an einen uralten kretischen Popen mit langem, weißem Bart. Nach
der Besichtigung der Kathedrale von Chania war sie mit ihm ins Gespräch
gekommen, und er hatte ihr ein griechisches Sprichwort ans Herz gelegt: Der
Sohn des Priesters ist der Enkel des Teufels.
     
    *
     
    Kurz vor Schleswig biegt der dunkelgrüne Mannschaftswagen auf die
Autobahn ab. Der Fahrer drückt aufs Gas, holt aus dem Motor das Letzte heraus.
Ein monotoner Grundton aus Gebrabbel und Gekicher liegt in der Luft. Swensen
starrt angestrengt in die Dunkelheit hinaus. Der Himmel ist wolkenverhangen,
kein Stern ist zu sehen. Er ist genervt, fühlt sich ausgelaugt und würde gern
ein wenig schlafen. Gleich nach der Abfahrt hatte er sich mit Mielke auf die
leere Rückbank zurückgezogen und ein wenig ausgestreckt. Doch das Adrenalin im Blut
hält ihn gnadenlos wach. Kurz vor einer Festnahme ist jede Buddha-Natur in
weiter Ferne. Da gelingen keine Atemübungen mehr, die Gedanken sprudeln klar
wie Kohlensäure.
    Sturm
im Wasserglas, denkt der Kriminalist und erinnert sich an das Gespräch mit Razak
Sabet im vierzehnten Stock, als der Kerl ihm zum Greifen nah gegenüberstand.
Nichts Ungewöhnliches. In sehr vielen Fällen gerät ein Täter schon weit vor der
Festnahme ins Blickfeld der Fahndung, ohne dass er als Täter in Betracht
gezogen wird. Auch bei Sabet war damals alles Routine geblieben, er hatte kein
Kribbeln gespürt, keinen intuitiven Gedanken gehabt. Mal wieder muss er
einsehen, dass er trotz jahrelanger Anstrengung seiner angestrebten Wachsamkeit
nicht wirklich näher gekommen ist.
    Wenn
es in dir kein Gefühl für Freude und Magie gibt, hört er die mahnende Stimme
seines Meisters, wirst du mit Sicherheit irgendwann gegen die steile Wand des
Wahnsinns prallen.
    Zumindest
das Gesicht von Sabet würde ich sofort wieder erkennen, denkt er trotzig. Aber
beschreiben? Kurze Haare, schwarz, Dreitagebart, das war’s auch schon. Lach
mal, Swensen!
    Hinter
der Wagenscheibe bestimmen mittlerweile die Lichter der Landeshauptstadt das
Bild. Es geht mit rasanter Geschwindigkeit immer geradeaus über den
Theodor-Heuss-Ring, nur unterbrochen von kurzen Stopps an den Ampeln.
Irgendwann biegt der Fahrer links ab. Swensen kennt sich nicht besonders gut
aus in Kiel. Nach kurzer Zeit weiß er nicht mehr, wo sie sich befinden. Erst
als es vom Schwedendamm in die Werft-Straße geht, ist er wieder im Bilde.
Direkt am Eingang zur KDW biegt der Mannschaftswagen nach rechts in die
gegenüberliegende Straße und fährt gleich wieder rechts in die ansteigende
Hügelstraße, die an einer Parkanlage endet. In der Deckung der Bäume bereiten
sich die Männer auf den bevorstehenden Einsatz vor. Sie stülpen die Helme über
und kontrollieren Schusswesten und Schnellfeuergewehre. Über den Baumkronen
steht der Halbmond am schwarzblauen Himmel. Davor die vielen Lichtpunkte im
schwarzen Schattenriss des Hochhauses. Nach kurzer Absprache gehen Swensen und
der Einsatzleiter den steilen Sandweg hinauf. Am Fuß des Betonklotzes kann man
durch die dichten Büsche das riesengroße Werksgelände der KDW erahnen.
    »Ich
geh kurz mal ums Gebäude«,

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