Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Gotteskriegern. Alle trugen
einheitliche Kleidung, Hose, Jacke und eine Art Kopftuch aus brauner Baumwolle.
Ein hochgewachsener Mann mit einer Raubvogelnase und langem, schwarzem Vollbart
klatschte gerade in die Hände und erhob sich. Sofort sprangen die anderen auf
und richteten eine Reihe aus. Eine größere Eidechse raste aufgeschreckt ins
nächste Baumloch. Mur a d Paša wischte
den Schweiß von der Stirn und stellte sich breitbeinig vor den Angetretenen
auf. Er schätzte die Temperatur auf weit über vierzig Grad.
»Bekämpft
jene, die weder an Gott noch an das Jüngste Gericht glauben«, sagte er mit
salbungsvoller Stimme. »Das Paradies liegt unter dem Schatten der Schwerter!«
Als
Antwort gellten die Worte »La scharki, la gharbi, Islami« (nicht westlich, noch
östlich, nur islamisch) durch die Luft.
Bei
dem Kampfschrei kamen dem Kommandanten die alten Bilder aus Afghanistan ins
Gedächtnis. Die Sowjets hatten das Land im April 1989 endgültig verlassen. Er
sah sich mit einer Handvoll Mudschaheddin auf der Ladefläche eines klapprigen
Toyota Pick-ups sitzen, der mit röhrendem Motor die Serpentinen des Khaiber-Passes hinaufschlich. Sah, wie sie auf der Bergspitze Torkham erreichten, den
Grenzübergang nach Pakistan, nur durch eine Kette markiert. Sah, wie sie
passieren durften, nach angemessenem Bakschisch an die Frontier Scouts ,
die in tadellos sitzenden, grauen Shalwar-Kameezes -Uniformen und
Turbanen wie Menschen von einem anderen Stern wirkten.
Danach
tauchten vor ihm Bilder aus Peschawar auf, der Stadt, die in der Zeit vor dem
Dschihad radikal verändert wurde. Er sah sich durch ein Knäuel von hupenden
Taxis, Kamelfuhrwerken und dürren Gäulen voll striemiger Flanken gehen, vorbei
an bärtigen Männern mit Turbanen auf rostigen Fahrrädern. Unzählige Gruppen
afghanischer Flüchtlinge lungerten ausgemergelt an fast jeder Ecke herum. Er
sah den grellen Lichtblitz vor dem Gästehaus der Mudschaheddin, der das Auto
von Abdullah Azzam zerfetzte. Spürte den Luftzug der Explosion, der ihn von den
Füßen riss. Sah die Leiche des Malawis (Lehrers), der ihn zu den
Gotteskriegern gebracht hatte. Er fühlte den tiefen Schmerz, als ihm das Bild
des blutüberströmten Abdullah Azzam vor Augen kam, der mit der Kalaschnikow in
den Händen zusammengesunken auf dem Beifahrersitz saß.
»Möge
Allahs Zorn den Abschaum vernichten!«, hatte er die Mörderbande damals
verflucht und nie geglaubt, dass dieses feige Attentat vom November ’89
ungesühnt bleiben könnte. Doch als der Leichnam in seinen blutgetränkten
Kleidern zum Friedhof getragen wurde, hatte er neben der Trauer plötzlich eine
Welle der Freude empfunden. Es war ihm wie eine Vision vorgekommen. Er hatte
sich auf einem weißen Pferd mit dem Schwert in der Hand gesehen, wie er im
Schlachtgetümmel gegen die Kreuzzügler den Märtyrertod starb. In der Zeit
danach hatte er unzählige Dankesgebete zu Allah gesprochen. Osama und sein
Freund Dr. Ayam al-Zawahiri hatten aus dem Makhtab aI-Khidmat (Gästehaus
für arabische Islamisten) ein Servicezentrum gemacht, das alle arabischen
Veteranen, die nicht in die Heimat zurückgekehrt waren und weiterhin den
Dschihad kämpfen wollten, aufnahm. Hier hatten alle Gotteskrieger endlich eine
weltumfassende Heimat gefunden, die bald jeder unter dem Namen Al-Qaida fürchten sollte.
»Weißt
du, was das wichtigste Ergebnis unseres heiligen Krieges ist?« hatte ihn Osama
eines Abends gefragt. »Das wichtigste Ergebnis ist, dass auch eine Supermacht
besiegt werden kann! Mit eigener Hand haben wir die russische Armee geschlagen
und so die mächtige Sowjetunion zerstört.«
Dann
hatte der Saudi ihn mit einem starren Blick durchbohrt und lächelnd gesagt:
»Und jetzt bete ich, dass Gott uns erlaubt, Amerika zu zerstören.«
Das ist Osamas stärkste Kraft! Er glaubt, was er sagt, dachte der
Kommandant, während er seine Männer einen Halbkreis bilden ließ. Über seinem
Kopf hörte er den kurzen, abgehackten Gesang eines Zarzur , blickte kurz
nach oben und sah den kleinen Vogel mit gespreizten Flügeln schwirrend in der
Luft stehen.
»Allah
segnet jene, die den Himmel und die Erde in die Hand nehmen«, flüsterte seine
innere Stimme.
Bis heute hatte er es nicht bereut, dass er Osama gefolgt war, damals,
als die Al-Qaida neue militärische Camps in den afghanischen Provinzen
Kunar, Nuristan und Badachschan errichtet hatte. Alle nannten ihn nur noch den
Kommandanten. Er stieg zum Ausbilder im Stützpunkt Kunar
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