Feuermale
Freundes.«
»Du brauchst eine andere Sorte Freunde.«
Sie setzte vorsichtig eine Hüfte auf die Schreibtischplatte, den Blick auf das Fax gerichtet – die Kopie eines Zeitungsartikels aus Milwaukee. »Hast du diesen Kerl gekannt?«
»Klar«, murmelte das Mädchen und starrte ins Feuer.
»Sie kennen ihn auch.«
Kate hörte sie kaum. Ihre Aufmerksamkeit war von dem Fax gefesselt, das die Sekretärin von Legal Services ihr geschickt hatte, mit einer Notiz: Dachte, Sie wollen das sofort sehen. Der Artikel war datiert auf den 21. Januar 1996. Die Schlagzeile lautete: Schwestern beim Brandtod der Eltern entlastet. Es waren zwei schlechte, unscharfe Fotos, noch verschlechtert durch das Fax. Aber selbst so erkannte Kate das Mädchen auf dem rechten Foto: Angie DiMarco.
Peter saß in seinem Schlafzimmer, in einem kleinen Stuhl am Fenster, die schwarze Tasche im Schoß, die Arme darum gewickelt. Er trug dieselben Kleider wie am Abend – schwarze Hose und schwarzer Pullover. Er hatte auf den Pullover gekotzt. Der saure Geruch von Kotze und Schweiß und Angst hing über ihm wie eine giftige Wolke, aber er war nicht bereit, sich umzuziehen, wollte sich nicht duschen.
Er stellte sich vor, daß er blaß war. Er fühlte sich, als hätte man alles Blut aus ihm gezapft. Was jetzt durch seine Adern floß, war die Säure der Schuld, brennend, brennend, brennend. Er stellte sich vor, sie könnte ihn von innen heraus verbrennen, seine Knochen in Asche verwandeln.
Edwyn war gekommen, um ihm von der Verhaftung des Hausmeisters zu erzählen, und hatte ihn im Musikzimmer gefunden, wo er gerade den Flügel mit einem Radkreuz zertrümmerte. Edwyn hatte Lucas angerufen. Lucas war mit einer kleinen schwarzen Tasche voller Ampullen und Nadeln erschienen.
Peter hatte die Drogen verweigert. Er wollte sich nicht betäubt fühlen. Er hatte sich einen zu großen Teil seines Lebens betäubt gefühlt, hatte die Leben der Menschen seiner Umgebung ignoriert. Vielleicht, wenn er es gewagt hätte, früher etwas zu empfinden, dann wäre es nicht soweit gekommen. Jetzt fühlte er nur noch den sengenden Schmerz der Reue.
Er sah aus dem Fenster und beobachtete, wie Kovác die Nase seines Wagens gegen die Stoßstange von Edwards Lincoln stieß, dann zurückfuhr und umdrehte. Ein Teil von ihm verspürte Erleichterung, daß John Quinn das Haus verließ, ein anderer Teil Verzweiflung.
Er hatte sich das Gespräch vor der anderen Türseite angehört. Noble und Brandt, die für ihn Ausreden erfanden, für ihn logen. Quinn, der die definitive Frage stellte: Schützen Sie ihn um seinetwillen oder Ihretwillen?
Zeit verstrich, während er da im Stuhl saß, zurückdachte, alles noch einmal durchlebte, von Jillians Geburt an, jeden fatalen Fehler, bis zu diesem Augenblick und danach. Er starrte aus dem Fenster, sah den Nachrichten-Van nicht, die Reporter, die auf einen kleinen Auftritt von ihm hofften. Er umarmte die Tasche und wiegte sich hin und her und kam zu dem einzigen Entschluß, der für ihn einen Sinn ergab.
Dann sah er auf die Uhr und wartete.
Kate starrte das Fax an und Gänsehaut lief ihr vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Ihr Gehirn pickte sich die Schlüsselwörter heraus: verbrannt, Mutter, Stiefvater, Trinken, Drogen, Pflegeeltern. Jugendstrafen, Mißbrauch.
»Was ist denn los mit Ihnen?« fragte Angie.
»Nichts«, sagte Kate automatisch und riß sich von dem Artikel los. »Mir war nur gerade ein bißchen schwindlig.«
»Ich dachte schon, vielleicht sind Sie in der Zone.«
Sie lächelte wie ein Gnom. »Wär das nicht komisch?«
»Ich weiß es nicht. Wie ist es denn in der Zone?«
Das Lächeln verschwand. »Es ist dunkel und leer, und verschluckt dich ganz, und du fühlst dich, als ob du nie mehr rauskommst und keiner je kommen wird, um dich zu holen«, sagte sie und ihre Augen starrten wieder verzweifelt. Nicht leer, sondern verzweifelt, voller Angst, Schmerz, was bedeutete, daß da noch etwas in ihr war, was man retten konnte. Was immer ihr in einer Kindheit passiert war, die im verdächtigen Tod ihrer Eltern gipfelte, irgendein Fetzen Menschlichkeit hatte überlebt. Und es hatte die letzten Tage im ›Keller des Teufels‹ überlebt, wo immer das war.
»Aber manchmal ist es auch ein sicherer Platz«, sagte sie leise und starrte auf das Blut, das in Rinnsalen über ihre linke Hand lief, hinten und vorne und um ihr Handgelenk herum. »Ich kann mich dort verstecken…, wenn ich mich traue.«
»Angie, wirst du mir erlauben, dir ein
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