Feuermale
knapp südlich des Gewirrs von Interstate Highways, die die Innenstadt von Minneapolis einzäunten, lag das D’Cup, genau die Art Café, funky genug für die Boheme-Szene und gerade sauber genug für die Besucher des nahegelegenen Guthrie Theaters und des Walker Art Centers. Liska trat durch die Tür und atmete tief das reiche Aroma exotischer importierter Kaffeebohnen ein.
Sie und Moss hatten sich die Aufgaben für heute geteilt, um soviel wie möglich erledigen zu können. Mary mit ihren über zwanzig Jahren an mütterlicher Erfahrung hatte die wenig beneidenswerte Aufgabe übernommen, mit den Familien der ersten beiden Opfer zu sprechen. Sie würde die alten Wunden so sanft wie möglich öffnen. Liska traf sich nur zu gerne mit einer von Jillians wenigen bekannten Freundinnen: Michele Fine.
Die Fine arbeitete im D’Cup als Kellnerin, manchmal sang sie auch und spielte Gitarre auf der kleinen Bühne, die sich in eine Ecke in der Nähe des Vorderfensters quetschte. Die drei Kunden des Lokals saßen an kleinen Tischen in der Nähe des Fensters und genossen das schwache Sonnenlicht, das nach drei Tagen November-Trübsal hereinfilterte. Zwei ältere Männer – einer groß und schlank mit einem silbernen Spitzbart, einer kleiner und breiter mit einem schwarzen Barett – nippten an ihren Espressos und diskutierten über das Für und Wider der Nationalen Förderung der Künste. Ein jüngerer blonder Mann mit Wespenaugen-Sonnenbrille und einem schwarzen Rollkragenpullover nippte an einem grande irgendwas und bearbeitete ein Zeitungskreuzworträtsel. Eine Zigarette schmorte im Aschenbecher neben seinem Drink. Er hatte etwas Dünnes, vage Heruntergekommenes an sich, wie die meisten Schauspieler, die gerade dabei waren, sich zu etablieren.
Liska ging zum Tresen, wo ein muskelbepackter, italienisch aussehender Typ mit lockigem schwarzen
Pferdeschwanz gemahlenen Kaffee in den kegelförmigen Korb einer Espressomaschine drückte. Er sah mit Augen in der Farbe schwarzer Godivapralinen zu ihr hoch. Sie widerstand dem Drang dahinzuschmelzen. Mit Mühe. Es fiel ihr zunehmend schwerer, nicht automatisch die Wochen seit ihrem letzten Sex zu zählen. Moss hätte dazu angemerkt, daß Mütter von neun-und sechsjährigen Jungen eigentlich keinen Sex haben sollten.
»Ich bin auf der Suche nach Michele.«
Er nickte, schob den Korb in die Maschine und ließ ihn einrasten. »Chell!«
Die Fine kam durch den Bogen, der zum Hinterzimmer führte, mit einem Tablett sauberer Kaffeetassen, groß wie Suppenschalen. Sie war groß und dünn, mit einem schmalen, knochigen Gesicht mit mehreren alten Narben, die Liska überzeugten, daß sie vor langer Zeit einen Autounfall gehabt haben mußte. Eine schlängelte sich neben einem Winkel ihres breiten Mundes hinunter. Eine andere ritt auf dem Grat eines hohen Backenknochens wie ein kurzer flacher Wurm. Ihr dunkles Haar schimmerte unnatürlich kastanienrot; sie trug es glatt zurückgekämmt und im Nacken zusammengebunden. Der Pferdeschwanz war kraus und dicker als der Schwanz eines Fuchses.
Liska zeigte diskret ihre Marke. »Danke, daß Sie damit einverstanden waren, mit mir zu reden, Michele. Können wir uns setzen?«
Die Fine stellte das Tablett beiseite und zog ihre Handtasche unter dem Tresen heraus. »Was dagegen, wenn ich rauche?«
»Nein.«
»Ich krieg es einfach nicht hin aufzuhören«, sagte sie mit einer Stimme so rostig wie ein altes Scharnier. Sie ging voran zu einem Tisch im Raucherbereich, soweit wie möglich von dem blonden Mann entfernt. »Diese ganze Geschichte mit Jillie… meine Nerven liegen bloß.«
Ihre Hand zitterte leicht, als sie eine lange, dünne Zigarette aus einem billigen grünen Plastiketui zog.
Vernarbtes, verfärbtes Fleisch verzerrte den Rücken ihrer rechten Hand. Um die Narbe war eine elegante, kompliziert gezeichnete Schlange tätowiert, die sich um Micheles Handgelenk wand. Der Kopf ruhte auf dem Handrücken, mit einem kleinen roten Apfel im Mund.
»Sieht aus wie eine böse Verbrennung«, sagte Liska und deutete mit ihrem Stift auf die Narbe, während sie ihr Taschennotizbuch aufklappte.
Fine streckte ihre Hand aus, als wolle sie sie bewundern.
»Bratfettfeuer«, sagte sie leidenschaftslos. »Als ich noch klein war.«
Sie drückte auf ihr Feuerzeug und starrte in die Flamme, runzelte kurz die Stirn. »Es hat scheiß wehgetan.«
»Da wett ich.«
»Also«, sagte sie und schob energisch die alten Erinnerungen beiseite. »Was läuft denn da? Keiner will
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