Feuermale
nicht, daß jemand in ihren Sachen rummacht.«
»Ich seh nicht, daß etwas fehlt«, sagte sie schließlich.
Sie stand vor Jillians Kommode, ihr Blick wanderte über die wenigen Gegenstände dort: ein Mahagonischmuckkästchen, ein paar Duftkerzen in nicht zusammenpassenden Leuchtern, die kleine Porzellanfigur einer eleganten Frau in einem fließenden blauen Kleid. Sie berührte die Figur vorsichtig, mit wehmütigem Blick.
Während Michele ihre paar Kleidungsstücke aus dem Gästezimmer einsammelte, ging Liska die Treppe hinunter und erfaßte die Haupträume mit einem Blick. Sie sah das Haus jetzt mit anderen Augen als vor ihrem Treffen mit Jillians Freundin. Es hatte verschlampt sein müssen, aber das war es nicht. Sie hatte noch nie erlebt, daß ein Killer Raumpflege als Teil seines Angebots mitbrachte, aber jemand hatte hier saubergemacht. Nicht nur alles abgewischt, um Fingerabdrücke zu entfernen. Saubergemacht, Kleidung gefaltet und aufgeräumt, Geschirr abgewaschen.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu Michele Fine und Jillian als Freundinnen. Ein recht unwahrscheinliches Paar: die Tochter eines Milliardärs und eine Kellnerin.
Hätte Peter Bondurant eine Lösegeldforderung bekommen, dann wäre die Beziehung automatisch durchleuchtet worden. Selbst ohne das huschten aus Gewohnheit Mußmaßungen durch Liskas Kopf.
Durchdacht und abgelegt. Michele Fine kooperierte auf der ganzen Linie. Nichts, was sie getan oder gesagt hatte, schien fehl am Platz. Ihre Trauer schien echt und war gefärbt mit den Schattierungen von Wut und Schuldgefühlen, die Liska immer und immer wieder bei den Menschen, die ein Mordopfer hinterließ, festgestellt hatte.
Trotzdem würde sie Michele Fines Namen durch den Computer laufen lassen und sehen, ob etwas dabei heraus kam.
Sie ging quer durch das Wohnzimmer zum elektrischen Klavier. Jillian Bondurant hatte Musik geschrieben, war aber zu schüchtern gewesen, um aufzutreten. Das war die Art von Detail, die sie zu einem echten Menschen machte, auf eine Weise wie die Erkenntnis, daß sie Peter Bondurants Tochter war, es nicht tat. Die Notenblätter, ordentlich auf dem Ständer gestapelt, waren klassisch.
Noch ein Widerspruch bei Jillians Image. Liska hob den gepolsterten Sitz und sah die Sammlung darunter durch: Folk, Rock, Alternatives, New Age »Keine Bewegung!«
Ihr erster Impuls war, nach der Pistole zu greifen, aber sie blieb über dem Klavierstuhl gebückt, atmete durch.
Dann drehte sie langsam den Kopf und Erleichterung durchströmte sie, dicht gefolgt von Zorn.
»Ich bin’s, Mr. Vanlees. Detective Liska«, sagte sie und richtete sich auf. »Stecken Sie die Pistole weg, bitte.«
Vanlees stand in der Tür, in seiner Wachmannsuniform, und hielt einen Colt Python umklammert. Am liebsten hätte Liska ihm die Pistole entrissen und ihm eine über den Kopf gezogen.
Er blinzelte sie an und senkte die Waffe, ein gerade mal eben betretenes Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln.
»Oh, Detective, das tut mir leid. Ich hab nicht gewußt, daß Sie vorbeikommen. Als ich gesehen hab, daß jemand hier drin ist, hab ich das Schlimmste befürchtet. Wissen Sie, wir hatten dauernd diese Skandalreporter hier. Ich hab gehört, daß sie alles stehlen, was nicht niet-und nagelfest ist.«
»Sie haben also mein Auto nicht erkannt?« sagte Liska, etwas zu scharf.
»Äh, das hab ich wohl nicht. Tut mir leid.«
Von wegen, dachte sie. Möchtegerns wie Vanlees merkten sich alles über Cops, denen sie in der wirklichen Welt begegneten. Sie hätte darauf gewettet, daß er irgendwo ihre Autonummer aufgeschrieben hatte. Und ganz sicher hatte er Hersteller und Modell erkannt. Diese kleine Show hatte er abgezogen, um sie zu beeindrucken. Gil Vanlees: Ein Mann der Tat. Immer bereit. Immer im Einsatz. Immer gewissenhaft. Gott steh uns allen bei.
Liska schüttelte den Kopf. »Das ist ja eine recht beeindruckende Waffe, die Sie da haben, Gil«, sagte sie und ging auf ihn zu. »Ich brauch wohl nicht zu fragen, ob Sie einen Waffenschein dafür haben?«
Die Augen wurden ein bißchen kalt, und das Lächeln schlaffte aus seinem Gesicht. Es gefiel ihm nicht, daß sie ihn tadelte. Er wollte nicht daran erinnert werden, daß seine Uniform nicht die richtige war. Er steckte den Lauf der Python in seinen Gürtel und rückte sie neben seinem Bauch zurecht. »Ja, ich hab einen Waffenschein.«
Liska zwang sich ein Lächeln ab. »Das ist eine Mordskanone. Keine wirklich gute Idee, sich damit an Leute ranzuschleichen, Gil.
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