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Feuermohn

Feuermohn

Titel: Feuermohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Martini
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in den unterschiedlichsten Ausführungen.
    Voller Vorfreude nahm Anna Platz. Es erfüllte sie, in dieser Stube zu sitzen, den Duft des edlen Papiers in sich aufzusaugen und unter der Vielzahl an Tintenfarben auswählen zu dürfen. Ihre Versuche nahmen Formen an. Unter der geduldigen Anleitung ihres Lehrmeisters entwickelte sie Routine und konnte schon bald kurze Sätze bilden.
    Anna bewunderte Joe für sein enormes Wissen. Sie fachsimpelten, philosophierten, plauderten, lachten, füllten Blatt um Blatt. Joe zog sie oft liebevoll auf, wenn sie mal wieder altdeutsche Buchstaben vertauscht hatte, arbeitete mit ihr, lobte sie.
    Das Papier fühlte sich herrlich glatt an. Die Tinte legte sich weich und kräftig auf die edle Oberfläche. Geschmeidig glitt die Feder über die unterschiedlichsten Papiersorten.
    „Du bist sehr ehrgeizig, lernst schnell.“ Zufrieden begutachtete Joe ihre Übungen. „Ich könnte jemanden brauchen, der mir bei meinen Arbeiten hilft.“
    Erfreut und stolz blitzten ihre Augen auf. „Gern. Wie kann ich helfen?“
    „Ich interessiere mich sehr für Kräuter und diverse Substanzen. Sei es in Bezug auf ihren Einsatz in der Küche oder auf ihre heilenden, aber auch zerstörerischen Eigenschaften. Ich habe aufzuschreiben begonnen, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte, versinke mittlerweile allerdings in einer wahren Zettelwirtschaft. Mein Ziel: Ich möchte all das sauber auf edles Papier übertragen. In altdeutscher Schrift. Hast du Interesse, mir dabei zu helfen?“
    „Was für eine Frage! Natürlich!“ Aufgeregt folgte Anna ihm zu einer kleinen Tür, die in einen angrenzenden Raum führte. Es war wohl eher eine Kammer, denn es gab kein Fenster. Sofort fiel ihr der Geruch auf. Süßlicher, trocken-würziger Kräutergeruch, den sie tief und entzückt einatmete. Sie musste an ihre verstorbene Großmutter denken, die regelmäßig Kräuter gesammelt und getrocknet hatte. Als Kind war sie oft, mit einem Körbchen bewaffnet, mit ihr losgezogen, auf der Suche nach wild wachsenden Kräutern und Wurzeln.
    Von Lavendel bis Kamille war alles dabei gewesen. Annas Erinnerungen wurden immer lebhafter. Sie sah sich beim Pflücken von Minze, Salbei und Thymian, beim Sammeln von Gänseblümchen, wilden Beeren und Hagebutten, beim Ernten von Walderdbeeren, Brombeeren und Holunderblüten. Vor ihrem geistigen Auge sah sie die als Sträuße gebundenen Kräuter von feinen Schnüren herabhängen, die ihre Großmutter quer durch die Küche gespannt hatte. Sie wurden getrocknet, zerrieben und in kleine Kissen gefüllt, zu Tinkturen, Salben und Duftsäckchen verarbeitet, aber auch als Tee und zum Kochen verwendet.
    Genüsslich schnupperte Anna mit geschlossenen Augen. Gierig sog sie den aromatischen Duft in sich auf. Aber sie roch auch noch etwas anderes. Es war ein bitterer Geruch, moschusartig, unbekannt und irgendwie beunruhigend.
    Sie konnte ihn nicht einordnen, denn er vermischte sich mit den wohltuenden Gerüchen der Kräuter.
    Licht fiel nur durch den Arbeitsraum herein, vorbei an Joe, der neben ihr stand, und warf Schatten über die Fliesen bis zum Tisch an der Wand gegenüber.
    Der Tisch war aus Marmor, streckte sich von Wand zu Wand. Borde säumten die Wände, vollgestellt mit Gläsern, Krügen, Fläschchen und Behältnissen jeglicher Art. Unter dem Tisch entdeckte sie zwei große, bauchige Krüge aus Stein.
    „Kräuter muss man dunkel aufbewahren. Wenn ich hier arbeite, bringe ich mir stets eine kleine Lampe mit.“ Er lächelte. „Dann wirkt alles gleich viel freundlicher.“
    „Sind die Behältnisse beschriftet?“
    „Ja. Allerdings wünsche ich mir hier eine Veränderung. Auch dabei kannst du mir helfen, wenn du magst.“
    Anna nickte erfreut und verlor sich in dem, was Joe ihr erklärte und erzählte … vergaß die Zeit.
    Erst als Joe auf die Uhr blickte und feststellte, dass es Zeit für einen Tee war, tauchte sie auf. Sie musste sich beeilen, wollte sie sich nicht verspäten.
    *** Anna drehte und wandte sich vor dem goldenen Spiegel. Sanftes Sonnenlicht flutete den Raum, ließ die Spiegelfläche aufblitzen, legte sich warm auf ihre Haut. Das schwarze Lackkleid schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. Es wirkte verrucht und sündig, betonte jede ihrer Kurven, aber auch jedes Pfund zu viel. Und das auf unvorteilhafte Weise. Anna fühlte sich nicht wohl und beschloss, etwas anders auszuwählen.
    Seufzend pellte sie sich aus dem glänzenden Stück, durchsuchte, nackt wie sie war, den

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