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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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schon aufgetaucht.
    »Ach, die, ich weiß nicht mehr, wie sie heißt. Sie hat auch im Heim gewohnt, ist aber krank geworden und war zu Hause, als der Brand ausgebrochen ist. Deshalb lebt sie noch.«
    »Was? Und wo ist sie jetzt? Ist es möglich, mit ihr zu sprechen?«
    »Keine Ahnung, wo sie gelandet ist. Ich habe sie jedenfalls nirgendwo gesehen, als ich nach dem Brand noch ein paarmal in anderen Heimen war.« Er zeigte auf die Geräte neben ihrem Bett. »Sie war gelähmt, man konnte nur auf spezielle Weise mit ihr kommunizieren. Sie hat sich mit den Augen verständigt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie wusste, was um sie herum passierte, aber ich hatte schon das Gefühl. Sie hat mich immer mit den Augen verfolgt, wenn ich zu ihr ins Zimmer gekommen bin, aber das muss natürlich nichts heißen.«
    Dóra musste sich bei Glódís oder einem anderen Mitarbeiter im Regionalbüro nach der Frau erkundigen. Wenn sie damit keinen Erfolg hatte, würde sie zu Einvarður gehen und ihn an sein Versprechen erinnern, ihr zu helfen. Aber was konnte eine so stark behinderte Person den Aussagen der Mitarbeiter noch hinzufügen? Sie konnte unmöglich gesehen haben, wer Lísa vergewaltigt hatte. Aber es war schon merkwürdig, erst jetzt von ihr zu erfahren; niemand hatte sie auch nur mit einem Wort erwähnt, und in den Prozessunterlagen stand nichts von einer sechsten Bewohnerin.
    Als Sveinn den Film weiterlaufen ließ, war Dóra unkonzentriert, während Matthias sehr interessiert zuschaute. »Spul noch mal kurz zurück.« Matthias hielt sein Ohr näher an den Bildschirm. »Kannst du ein bisschen lauter stellen? Ich habe da was Komisches gehört.« Sveinn stellte den Ton lauter, und sie betrachteten schweigend den Bildschirm, auf dem sich ein Mitarbeiter im Badezimmer über einen riesigen Stapel Handtücher beugte. »Hast du das gehört?«, fragte Matthias Dóra. »Noch mal bitte!«
    Der Mitarbeiter nahm die gefalteten Handtücher mit ruckartigen Bewegungen wieder auseinander, während Sveinn zurückspulte. Dann arbeitete er wieder normal, aber Dóras Aufmerksamkeit richtete sich nicht auf seine geübten Handgriffe, sondern auf das, was undeutlich im Hintergrund mit gebieterischer Stimme wiederholt wurde.
    »Sieh mich an! Sieh mich an!«

18 . KAPITEL
    MITTWOCH ,
13 .  JANUAR 2010
    Der Verkehr auf dem Skólavörðustígur hatte wieder zugenommen, der Autolärm drang durch das halboffene Fenster, und die Abgase zogen in aller Ruhe in Dóras Büro. Beim Einatmen verzog sie das Gesicht und hielt so lange die Luft an, bis sie das Fenster zugemacht hatte. Dann benutzte sie das Blatt mit den Namen der Mitarbeiter und Therapeuten als Fächer. Dadurch verzog sich der gröbste Gestank, aber vielleicht hatte sie sich auch einfach schon daran gewöhnt. Trotzdem fühlte sie sich besser, als sie sich wieder setzte. Es war schon ohne Autoabgase schwierig genug zu entscheiden, mit welchen Personen auf der Liste sie reden sollte. Es waren einfach viel zu viele: vierzehn Festangestellte und zehn Freiberufler. Die Heimleiterin hatte Dóras Mail mit der Frage nach Tryggvis Therapeuten noch nicht beantwortet, und Dóra hatte erst einen Namen auf der Liste abgehakt, Glódís Tumadóttir selbst. Friðleifur Guðjónsson, den Nachtwächter, der verbrannt war, konnte sie natürlich auch streichen, aber sie zögerte. Dóras Stift schwebte über seinem Namen auf dem Blatt, und sie starrte nachdenklich auf die schwarzen Buchstaben. Der junge Mann hatte einen Schlag auf den Hinterkopf erlitten, bevor das Feuer ausgebrochen war. Wollte der Täter dadurch verhindern, dass der Nachtwächter den Bewohnern zu Hilfe kam, oder steckte etwas anderes dahinter?
    Dóra legte ihren Stift beiseite und nahm die Mappe mit den Obduktionsberichten. Doch – sie hatte den Ablauf noch richtig in Erinnerung. Der Mann war auf den Kopf geschlagen worden, aller Wahrscheinlichkeit nach bewusstlos gewesen und dann an Rauchvergiftung gestorben. Dóra nahm den Stift wieder in die Hand und klopfte damit leicht gegen die Tischkante. Sollte das Feuer vielleicht den Wachmann treffen? Der Kameramann hatte erwähnt, dass Friðleifur im Heim Besuch bekommen hatte. Möglicherweise war er nachts mit einem seiner Gäste aneinandergeraten. Solche nächtlichen Besuche waren zwar nicht erlaubt, aber wer sollte sie verhindern, wenn die Nachtwachen manchmal alleine waren? Vielleicht hatte der Angreifer in dem Glauben, er hätte Friðleifur getötet, in Panik das Feuer gelegt, um seine Tat zu

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