Feuernacht
wart, aber ich habe gehört, eure Tochter hätte manchmal da vorbeigeschaut.« Sie antwortete Sóley, während sie auf die Reaktion des Mannes wartete:
bald.
»Was? Davon weiß ich nichts. Warum fragst du danach? Wenn sie ihn da besucht hat, dann hat das nichts mit dem Heim zu tun, die beiden haben sich immer gut verstanden.«
»Ich dachte nur, sie könnte mir vielleicht helfen. Aus den Unterlagen geht nicht hervor, dass sie befragt wurde.«
»Nein, das wurde sie nicht, und ich muss gestehen, dass ich nichts über diese Besuche wusste. Bist du dir sicher, dass dir da keine falsche Information vorliegt?«
Dóras Handy piepte erneut. »Ja, ich wüsste nicht, warum mein Informant sich das ausdenken oder überhaupt wissen sollte, dass Friðleifur eine Schwester hat. Ich möchte überhaupt nichts andeuten, aber ich würde trotzdem gerne mit ihr sprechen.« Dóra checkte die neue SMS . Sóley musste noch lernen, solche Gespräche zu beenden – sie schickte auf jede Antwort eine Gegenfrage. Dóra hatte ihr das gerade erst erklärt, aber es schien nicht richtig bei ihr angekommen zu sein.
»Gut, ich möchte nur vorher gerne mit ihr reden, das ist doch bestimmt in Ordnung.«
»Ja, ja, natürlich.« Dóra fingerte an der Tastatur herum, um zu sehen, was ihre Tochter ihr nun wieder unbedingt mitteilen wollte. Auf dem Display stand
02 kurzer schlauch
, was ihr überhaupt nichts sagte, gefolgt von einem Bild. »Vielleicht darf ich dich später noch mal anrufen, dann kannst du in der Zwischenzeit …« Dóra verlor den Faden. Das Bild auf dem Display kam ganz bestimmt nicht von ihrer Tochter. Es zeigte eine verbrannte Leiche, die auf den Resten eines Schreibtischstuhls hing. Ihr entstellter Kopf lehnte am Stuhlrücken, so als würde sie darum bitten, dass ihr der Hals durchgeschnitten würde. Die Arme hingen an den Seiten herunter, und die verkohlten Handflächen zeigten nach vorne. Das hatte Dóra schon mal gesehen. Es war Friðleifur.
»Bist du noch dran?«, fragte der Mann irritiert.
»Äh, ja, entschuldige.« Dóra klickte auf den Absender und sah, dass die SMS nicht von Sóley kam. »Hast du mir gerade eine SMS geschickt?«
Der Mann verneinte. »Das kriege ich wirklich nicht hin, wenn ich gleichzeitig telefoniere, warum fragst du?«
»Entschuldige bitte, tut nichts zur Sache.« Dóra hatte Schwierigkeiten, sich weiter mit Guðjón zu unterhalten, sie bekam das Bild auf dem Display einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wer hatte es ihr geschickt und warum? Schnell beendete sie das Gespräch. »Du redest also mit deiner Tochter und sagst mir Bescheid?« Der Mann stimmte zu und verabschiedete sich. Sobald er aufgelegt hatte, suchte sich Dóra die SMS . Sie klickte wild herum und befürchtete schon, die Mitteilung aus Versehen gelöscht zu haben. Aber das war zum Glück nicht der Fall. Dóra checkte den Absender: Diesmal kam die SMS über den Anbieter
Síminn
.
Nach einem langen Gespräch mit dem Telefonanbieter, bei dem sie zweimal an andere Abteilungen verwiesen wurde, bekam sie die Auskunft, die Nachricht sei über einen kostenlosen MMS -Dienst im Internet verschickt worden. Als Dóra erklärte, sie hätte auch merkwürdige Mitteilungen über
ja.is
bekommen, seufzte der Mann am anderen Ende der Leitung und erklärte ihr, es sei am besten, ihr Handy so einzustellen, dass es solche Mitteilungen nicht mehr empfängt. Das sei ganz leicht, man könnte das sogar im Internet machen. Als Dóra das nicht wollte, seufzte der Mann wieder. Da diese kostenlosen Dienste öfter für zweifelhafte Zwecke missbraucht wurden, war es klar, warum er von solchen Anrufen genervt war. Dóra erklärte, sie suche den Absender nicht aus irgendeinem Verfolgungswahn, sondern wegen einer Justizangelegenheit. Daraufhin klang der Mann schon ganz anders und erklärte ihr, dass sämtliche Mitteilungen, die über das Internet verschickt wurden, registriert und zurückverfolgbar wären, dies aber einige Zeit in Anspruch nähme. Er versprach, sich sobald wie möglich darum zu kümmern, ließ sich ihre Handynummer und die Eingangszeiten der Mitteilungen geben, und sie verabschiedeten sich.
Dóra musterte das Foto genauer. Auf dem kleinen Display war es ziemlich unscharf, aber sie erkannte das Motiv sofort wieder. Ein ähnliches Bild war in dem Polizeibericht in Aris Akte gewesen. Es war eines der Fotos vom Tatort, bei deren Anblick sich Dóra die Haare gesträubt hatten. Jedes einzelne Foto hatte sich ihr dermaßen ins Gedächtnis gebrannt, dass sie es
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