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Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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entflohen.
    Er schaute hinauf zu Skyler Doolittle, der allem Anschein nach in die Gideon-Bibel vertieft war, die sie in einer Hütte an dem Altwasser gefunden hatten. Meinetwegen kann sich Skyler ruhig mit diesem Zeug abgeben, dachte Jessie. Schaden kann’s nix. Außerdem war Skyler bisher viel zu kurz gekommen und hatte einen Haufen Pech im Leben gehabt, und vielleicht wendete sich ja demnächst alles zum Guten. Genau genommen war Skyler der einzige anständige Mann, dem er seines Wissens je begegnet war, von seinem Cousin Tyson vielleicht mal abgesehen, der viermal im Knast gewesen war und für den Jessie vermutlich deshalb so viel übrig hatte, weil er Cops aus Prinzip nicht ausstehen konnte.
    Skyler trug ein frisches Karohemd, Hosenträger und die Arbeitshose, die ein Schwarzer im Wal-Mart für sie besorgt hatte. Skyler leckte jedes Mal Daumen und Zeigefinger an, wenn er eine Seite umblätterte, war dann lange Zeit in eine Bibelstelle vertieft und lächelte Jessie zu.
    Der Text handelte von Johannes dem Täufer, und Skyler kam es so vor, als stiegen Johannes’ Worte vom Blatt empor und ließen den Wald rundum von Neuem erstehen. Die dunstig grünen Wipfel über ihm wurden zum Dach einer Kornkammer, und der Wind blies durch die Ritzen, trennte die Spreu vom Weizen und wehte die Körner hoch ins Sonnenlicht, sodass sie golden glänzten wie Pollen an den Beinen der Bienen.
    Skyler hob die Bibel ein Stück höher, las den Text noch einmal, setzte sich aufrecht auf den Felsblock. In Gedanken war er bereits in einem güldenen Dom, in dem alle Unvollkommenheiten dieser Welt verschwunden waren. Das glitzernde runde Glas droben auf dem Hügelkamm sah er nicht.
    Das Teilmantelgeschoss vom Kaliber .30-06 durchschlug den Buchdeckel und die aufgeschlagenen Seiten und bohrte sich in Skylers Lunge, noch ehe der Schussknall den Hang hinabrollte.
    Wie von Sinnen, das Messer wie den Zauberstab eines Kindes gezückt, rannte Jessie zu Skyler hin.
    Skyler war zu Boden geglitten, stützte sich auf Hände und Knie und hustete rote Blumenmuster auf die Steine, die aus dem Erdreich ragten. Die zerfetzten Papierschnipsel seiner Bibel schwebten auf seinen Kopf herab wie die Federn eines weißen Vogels.

28
    Die Erschießung wurde eine Stunde später von einem weinenden Mann, der dem Diensttuenden in der Zentrale seinen Namen nicht nennen wollte, per Telefon gemeldet.
    Marvin Pomroy und ich fuhren gemeinsam zum Tatort. Die Sanitäter zogen den Reißverschluss eines schwarzen Sacks über Skylers Gesicht zu, luden die Leiche in einen Krankenwagen und fuhren damit weg, während Hugo Roberts’ Deputys gelbe Absperrbänder zwischen den Bäumen rund um die mit bunten Flechten überwucherten Felsen spannten, bei denen Skyler gestorben war.
    »Haben Sie irgendwelche Hinweise auf Jessie Stump?«, fragte Marvin Hugo.
    »Der Notruf ist von einem Gemischtwarenladen drei Meilen weiter drunten am Highway gekommen. Etwa um dieselbe Zeit wurde nicht weit davon entfernt einer Frau das Auto von der Auffahrt gestohlen«, sagte Hugo.
    »Besorgen Sie sich einen Durchsuchungsbefehl für das Anwesen der Deitrichs«, sagte ich.
    »Weshalb?«, fragte er.
    »Um nach dem Gewehr zu suchen, mit dem Skyler umgebracht wurde. Außerdem könnten Sie Jeff Deitrich und alle seine Freunde, die sich zufällig dort rumtreiben, auf Schmauchspuren und Pulverrückstände überprüfen«, sagte ich.
    »Derzeit ist Jessie Stump der Hauptverdächtige«, sagte Hugo.
    »Die Einschusswunde befindet sich oben in der Brust. Die Austrittswunde ist in Höhe der Rippen. Worauf deutet das Ihrer Meinung nach hin, Hugo?«, sagte ich.
    »Dass die Kugel an der einen Stelle rein ist und an der andern wieder raus«, erwiderte er und schnitt sich mit einem Federmesser den Fingernagel.
    Ein junger Deputy in Uniform, der neu in der Dienststelle war, kam zwischen den Kiefern hindurch den Hang herunter und hielt einen Stift hoch, auf dem eine Patronenhülse vom Kaliber .30-06 steckte.
    »Die hab ich da oben auf der Kuppe gefunden. Man kann sogar die Stiefelspuren und Knieabdrücke des Schützen auf den Kiefernnadeln erkennen. Sieht so aus, als ob er rechts neben einem Baum in Stellung gegangen ist, als er geschossen hat, was heißt, dass er vermutlich Rechtshänder ist ...« Er stockte. »Hab ich irgendwas falsch gemacht?«, sagte er, als er Hugos Miene sah.
    An diesem Nachmittag fuhr ich durch das lange Tal und das Rindergatter bis zum Haus der Deitrichs und stieg die mächtigen schwarzen

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