Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
sie kam nicht herein.
»Hier ist es hervorragend«, sagte sie und setzte sich auf die verschnörkelte Eisenbank unter dem Maulbeerbaum.
»Ich habe selbst gemachte Limonade.«
»Ein andermal. Ich habe mit Wilbur Pickett geredet. Du springst zu hart mit ihm um«, sagte sie.
»So?«
»Es lag doch die ganze Zeit auf der Hand, Billy Bob. Du hast es selber gesagt. Wenn’s um Geld geht, stellen die Menschen alle möglichen Sachen an. War es denn einsichtig, dass jemand eine alte Uhr klaut, ansonsten aber nichts anderes mitgehen lässt?«
»Er hat gelogen.«
»Aus lauter Angst.«
»Wovor?«
»Vor dir, seiner Frau, den Kids, die ihn verehren. Komm schon, lass ein bisschen Dampf ab.«
»Bist du bloß vorbeigekommen, um dich über Moral und Menschenkenntnis auszulassen?«, sagte ich.
»Nein. Ich habe Earl Deitrichs finanzielle Verhältnisse, überprüft. Sein Grundstück in Montana ist zum Verkauf ausgeschrieben, und auf sein Haus hier hat er eine Hypothek aufgenommen. Deswegen ist er auf diesen Versicherungsbetrug verfallen, als Wilbur seine Wertpapiere gestohlen hat. Er kassiert eine Viertelmillion und steigt womöglich noch in Wilburs Ölgeschäft ein. Vermutlich hat er Bubba Grimes auf Wilbur und Kippy Jo angesetzt, damit er sich zivilrechtlich an ihrem Nachlass schadlos halten und sich ihren Grund und Boden in Wyoming unter den Nagel reißen kann.«
»Ich bin nach wie vor Kippy Jos Verteidiger, und jetzt muss ich Wilbur Pickett in den Zeugenstand rufen, damit er den Geschworenen erklären kann, dass er fünfzigtausend Dollar in Wertpapieren gestohlen und jedermann belogen hat. Hältst du so einen Entlastungszeugen für glaubwürdig? Meinst du vielleicht, dass die Geschworenen danach noch viel Wohlwollen für die Picketts aufbringen? Oder soll ich ihn vielleicht zu einem Meineid anstiften?«
»Ich seh ja ein, dass du deswegen sauer bist.«
»Besten Dank.«
Sie ging die Auffahrt entlang zu ihrem Auto. Dann machte sie kehrt und kam zurück.
»Gibt’s zu der Limonade auch ein paar Blätter Minze?«, sagte sie.
Zehn Meilen außerhalb der Stadt gab es ein aus den fünfziger Jahren übrig gebliebenes Drive-in-Kino, das nur am Freitag- und Samstagabend geöffnet hatte. Die Kids aus der Highschool und vom College dröhnten sich dort mit warmem Bier, Joints, Speed und Ecstasy zu, lieferten sich auf den Fahrwegen Wettrennen, rissen versehentlich die Lautsprecher von den Ständern oder ruinierten sich die Fenster, wenn sie ihre Reifen am Bankett abradierten, schmissen aus Parisern gebastelte Wasserbomben in offene Kabrios, prügelten sich hinter dem Bimssteinbau, in dem sich die Toiletten befanden, und steckten Kracher in die Auspuffrohre anderer Autos, in denen sich gerade die große Liebe anbahnte.
Wenn die Drogen nicht gewesen wären, hätte es sich kaum von seinen Vorgängern vierzig Jahre zuvor unterschieden. Genau genommen hatte es nach wie vor einen gewissen Reiz: den Geruch nach ellenlangen Hot Dogs mit Senf und gehackten Zwiebeln, die Palmen, die vor den vermutlich großartigsten Sonnenuntergängen der westlichen Hemisphäre aufragten, die verschnörkelte rosa und lila Neonschrift auf dem Imbissstand, die in Scharen herumschlendernden Bauernburschen aus dem Hinterland, fest im Glauben erzogen allesamt, mit kurzen Haaren und in ihrer ungelenken Art so unschuldig wirkend, als wären sie gegen alle gesellschaftlichen Veränderungen um sie herum gefeit.
Esmeralda und Lucas parkten mit ihrem Pickup in der zweiten Reihe, dann ging Lucas zum Imbissstand und kehrte mit einer großen Portion Popcorn, zwei Hot Dogs und zwei Pepsi zurück. Lucas stellte gerade den Lautsprecherton ein, als ein schmächtiger Junge mit Hornbrille, Cowboystiefeln, einem über den Hosengürtel hängenden Jeanshemd und einer Brieftaschenkette, die aus seiner Gesäßtasche baumelte, knapp anderthalb Meter vor dem Pickup stehen blieb und ihm hektisch zuwinkte.
»Was willst du denn, J.P.?«, fragte Lucas.
»Komm mal her, Mann«, flüsterte J.P., als könnte Esmeralda ihn weder hören noch sehen.
»Führ dich nicht so dämlich auf«, sagte Lucas. »Was ist denn?«
»Jeff ist da hinten, mit Rita Summers. Er hat Koks in ’nem Glas Jack aufgelöst. Der ist irgendwie ganz hart drauf. Der schaut dich an, wenn du vorbeigehst, wie wenn ... Mann, ich will gar nicht dran denken. Das ist ’n ganz grusliger Typ, Lucas.«
»Yeah, danke, J.P. Mach dir deswegen keine Sorgen, okay?«, sagte Lucas.
Ein paar Minuten später sagte Esmeralda, sie wolle
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